Das Pharma-Kartell
später schließe ich das Zimmerchen ab und begebe mich auf den Weg zur Garage. Der Regen klatscht noch an die Korridorfenster, es wird aber schon heller. Der Wasservorhang hat sich gehoben, indem er unter dem zerbrochenen Fenster auf dem Betonfußboden eine große Pfütze zurücklässt und draußen eine weite Fläche fetten roten Morasts. Die Bulldozer stehen wie verlassene Tiere darin.
In der Garage geht es fröhlich zu, die Ursache klärt sich sofort auf – sie spielen Tricktrack. Noah sitzt mit einem mir unbekannten jungen Mann auf der Holzbank in dem kleinen Bretterverschlag, drei andere stehen darum herum und erteilen Ratschläge. Versteht sich, dass Sophie darunter ist. Alle sehen sich um, als ich eintrete. Noah hält die Würfel in der Hand.
„Ah, Doktor Bouché! Sie wollen zu uns?“
„Ja“, antworte ich. „Ich wollte mal kurz in die Stadt, aber bei dem Morast wird das jetzt wohl nichts.“
„Es trocknet schnell!“, beruhigt mich Noah. „Wenn Sie noch etwas anderes zu tun haben…“
„Nein, nein, ich schaue ein bisschen zu…“
„Spielen Sie das auch?“, staunt Noah. (Als wäre Tricktrack unter der Würde eines Inspektors!)
„Wie denn nicht!“, entgegne ich mit gespielter Entrüstung.
„Ich gebe an der Universität Lektionen in Tricktrack.“
Die Erklärung ruft ein paar ironische Bemerkungen hervor und die Befangenheit verschwindet sofort.
„Pasch!“, verkündet Noah und knallt den Stein mit Künstlergebärde auf das Brett. „Wir sind nicht kleinzukriegen!“
Ich stelle mich zu den Kiebitzen, genauer gesagt, neben Sophie.
„Was ist, hast du den Jeep hingekriegt?“, frage ich in einem passenden Moment, als Noah mit blumigen Ausdrücken sein Glück verwünscht, das ihn unversehens im Stich gelassen hat, und die anderen sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ihm gute Ratschläge zu erteilen. In diesem Augenblick wechselt die Aufzeichnung, die ich vorbereite habe, von mir zu Sophie über.
„Ja, ist in Ordnung!“, erwidert Sophie. „Der Vergaser war verstopft, jetzt schnurrt er nur so.“
„Gut“, sage ich in die Stadt muss ich trotzdem, ich melde mich so in einer Stunde wieder. Du bist doch hier?“
Sophie bestätigt es. Noah und der andere junge Mann beginnen eine Partie (Noah hat natürlich verloren), und ich verlasse den Verschlag, wo die Leidenschaften toben, und mache mich auf den Weg zu Fabres Büro.
Auf den Korridoren herrscht reges Treiben. Ein paar Leute sind vor den Eingang getreten und blicken zur Straße hinüber, auf der schon Laster fahren. Aber die Schichtbusse sind noch nicht da, und bis zur Straße ist es wenigstens ein halber Kilometer Weg durch den roten Morast. Niemand will das riskieren. Es nieselt noch leicht.
Fabre ist allein in seinem Büro. Er sitzt am Schreibtisch vor einem Haufen Aktenordnern und sieht müde aus. Die nervösen Gesten sind wieder da.
„Nehmen Sie Platz!“, fordert er mich auf, indem er sich erhebt. „Tut mir leid, dass es sich vorhin so getroffen hat. Es ist doch nichts… Eiliges?“
Anscheinend sieht man es mir am Gesicht an, dass die Dinge, die ich mich darzulegen anschicke, nicht sehr erfreulich sind, denn er stellt keine weiteren Fragen. Er steckt sich nur eine Zigarette an (mit diesen Zigaretten kennt er kein Maß!) und wartet, dass ich fortfahre. Doch ich zögere. Vielleicht ist er doch nicht der richtige Mann für mein Vorhaben, und ich sollte mir lieber einen Unauffälligeren, nicht so Exponierten aussuchen?
Ich setze mich auf das Kanapee, werfe dabei einen zerstreuten Blick in die Runde, während Fabre sich in dem Sessel mir gegenüber niederlässt.
„Übrigens“, sage ich, „was halten Sie von Ingenieur Wahlstrom?“
Fabre überlegt kurz.
„Nun ja… er ist oft hier. Korrekt, höflich. Fragt nie mehr als nötig. Wir haben ein paar kleine Korrekturen an der Zufahrtsstraße miteinander abgestimmt, das ist alles. Ich habe einen guten Eindruck von ihm.
Es ist einleuchtend, warum ihm die Leute Vertrauen schenken. Bei Fabre gibt es kein Wenn und Aber.
„Ich habe einen guten Eindruck von ihm“ – kurz und bündig.
„Und dieser Lummer?“
„Lummer? Der ist unmöglich. Mit dem kommt kein Mensch klar. Dabei ist er nicht so einfältig, wie er aussieht.“
„Vermutlich… kann er uns nicht ausstehen?“
„Bestimmt. Nur, was haben wir ihm getan?“
„Weiß man’s. Und Madame Krüger?“
„Ja, die… ist ein besonderer Fall. Sehr gescheit… einfach ungewöhnlich klug. Und sie gefällt mir
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