Das Pharma-Kartell
ich in der Wissenschaft darstelle. Ein braves Tantchen. Ich tue mein Bestes, aber zuerst kommen mein Mann und die Kinder.’ Er hat geschwiegen und geschwiegen und schließlich gesagt: ,Na gut, und was tätest du, wenn du merkst, dass dich niemand braucht? Dass du allen gleichgültig bist?’ Ich darauf: ,Da wäre ich sehr unglücklich, Enzo, Gott behüte, dass mir das einmal auf meine alten Tage passiert.’ Da ist er aufgestanden und ohne ein Wort hinausgegangen.“
Sie lächelt nun nicht mehr.
„Es hat mir nicht gefallen, dieses Gespräch, das war nicht in seinem Stil! Hinterher habe ich immerzu an ihn gedacht. Es muss ihn etwas bedrückt haben, sonst hätte er sich nicht hingesetzt und so mit mir gesprochen.“
„Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?“
„Nein, nichts.“
Hier habe ich nichts mehr zu suchen. Ich stehe auf und verabschiede mich von den beiden. Gabin geht in die Versuchsanlage im Kellergeschoss, ich steige die Treppe hinauf und schlendere durch die Fabrikationsräume.
Am besten, jeder tut seine Arbeit, hat Frau Battour gesagt. Mein Herumschlendern ist ebenfalls Arbeit. Ich muss herausfinden, wo die Gespräche noch abgehört werden. Der Haupttrakt kostet mich über eine Stunde. Ich kann nicht nur gehen und auf meine sogenannte Uhr schauen. Ich begegne Leuten aus der Pension, bleibe stehen, sie stellen mich anderen vor. Dabei fällt mir etwas Merkwürdiges auf – sie fragen fast gar nicht nach Larchey. Also hat die Kunde von dem angeblichen Auftrag des Doktors schon überall die Runde gemacht, und – nicht zu begreifen! – alle haben es geglaubt. Sie möchten mich nicht in Verlegenheit bringen.
Ich denke an das Gespräch Larchey mit Frau Battour. Was bedeutet, „dass dich niemand braucht“? Ich versuche, mich in seine Lage zu versetzen, einen Entschluss aus seiner Situation heraus zu fassen, aber ohne Resultat.
Ich beende meinen Rundgang durch den Haupttrakt, steige in die Kantine hinunter und esse rasch etwas zu Mittag. Dann gehe ich zum Verwaltungsgebäude hinüber. Ich wechsle mit diesem und jenem Grüße (hier gehöre ich schon dazu!), schaue kurz in die Zimmer und ernte verwunderte Blicke. Doch weil viele andere genauso wie ich durch die Korridore hasten und kurz mal in die Zimmer sehen, ist die Verwunderung nicht all zu groß.
Ich hatte geglaubt, bei Lucas Morlet sei eine zweite Abhöranlage, habe mich aber getäuscht. Der Zeiger rührt sich nicht. Frau Fordant sitzt hinter ihrem Schreibtisch und verfasst irgendeinen Bericht auf dem Computer. Morlets Zimmer ist leer. Der Ventilator auf dem Schreibtisch summt leise wie ein Insekt, über dem langen Konferenztisch hängt graublauer Nebel vom Tabakrauch.
„Lucas Morlet ist vor ein paar Minuten gegangen“, informiert mich Frau Fordant. „Aber wenn es sein muss, rufe ich ihn an.“
Dieses „wenn es sein muss“, sagt unzweideutig, dass es nicht sein muss.
„Nein, es ist nicht nötig“, beruhige ich sie. „Das Magengeschwür, ja?“
„Das Magengeschwür. Wie oft habe ich ihm gesagt, er solle wenigstens das Rauchen lassen! “, entrüstet sich Frau Fordant das gibt ihm noch den Rest.“
Offenbar sind die Punischen Kriege, die sie mit den Rauchern führt, nicht sonderlich erfolgreich.
So ist das. Das Leben im Objekt geht weiter, und der Fall Larchey wird allmählich auf ein Nebengleis geschoben. Bloß nicht für mich. Fabres Büro liegt gegenüber. Ich klopfe an, höre ein „Ja!“ und trete ein. Fabre ist nicht allein, er sitzt auf dem Kanapee neben dem Schreibtisch, ihm gegenüber in den Sesseln sitzen Ingenieur Wahlstrom und Lummer. Auf dem Tischchen zwischen ihnen ist eine Zeichnung ausgebreitet, an den Ecken von leeren Kaffeetassen festgehalten, damit sie sich nicht einrollt.
„Treten Sie näher!“, fordert mich Fabre auf. „Sie kennen sich?“
Er meint Wahlstrom, dem ich die Hand reiche. Wir wechseln ein paar Worte. Lummer oder Lunner zieht ein finsteres Gesicht, gibt mir aber auch die Hand.
„Bitte!“ Fabre zeigt auf den freien Sessel. „Ich erörtere mit den beiden Herren gerade eine Frage. Wegen der Straßenabzweigung muss das Transformatorenhaus für eine Weile abgeschaltet werden… Setzen Sie sich doch.“
Ich lehne ab. Sei nur mal vorbeigekommen, nichts Wichtiges.
„Sind Sie am Nachmittag hier?“, frage ich Fabre. „Könnte sein, dass ich Sie irgendwann mal anrufe.“
Noch zwei, drei Sätze, und ich gehe. Ich setze den Rundgang fort, muss auch noch auf einen Sprung zu dem noch nicht fertigen
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