Das Philadelphia-Komplott
Die Wut und die Anfeindungen ihrer Kollegen erinnerten sie immer und immer wieder an den tragischen Tag. Desillusioniert, aber trotzdem noch mit dem Wunsch, den Menschen zu helfen, verließ sie die Polizeitruppe und begann, Jura zu studieren. Drei Jahre später war sie unter den besten fünf Prozent der Abschlussklasse. Lukrative Angebote großer Kanzleien schlug sie aus und entschied sich stattdessen, für das Büro des Bezirksstaatsanwalts zu arbeiten.
Ihr Privatleben war dagegen eher einsam. Ihre Eltern starben vor einigen Jahren in einer Lawine beim Skifahren in Italien, und vor kurzem hatte sie nach zwei Jahren ihre Verlobung mit einem der viel versprechendsten Anwälte Philadelphias gelöst. Es sah so aus, als wenn sie außer Arbeiten nicht viel mit ihrer Zeit anfangen würde.
Es gab noch mehr Informationen über Sydney Cooper in der Akte, aber Jake war müde und der Flug am nächsten Morgen ging sehr früh. Der Rest von Syndey Coopers Leben würde bis morgen warten müssen.
7. KAPITEL
A m Donnerstagmorgen beherrschte die Entführung von Lilly die Schlagzeilen der Tageszeitungen und die morgendlichen Talkshows im Regionalfernsehen. Die Zuschauer riefen an und äußerten Vermutungen darüber, was geschehen war, oder unterbreiteten Vorschläge, wie man die Straßen von Philadelphia wieder sicherer machen könnte. Einige behaupteten, den Van, mit dem Lilly entführt worden war, auf dem New Jersey Turnpike oder der I-95 gesehen zu haben, und eine Frau erklärte allen Ernstes, das Fahrzeug habe vor ihrem Haus geparkt.
Auch wenn allen Spuren nachgegangen wurde, war der Van bis jetzt noch nicht gefunden worden.
Syd lief die letzten Stufen zu dem sechsstöckigen Gebäude hinauf, in dem das Büro des Bezirksstaatsanwalts lag. Dies war eigentlich nicht der Ort, an dem sie an diesem feucht-kalten Morgen sein wollte, dachte sie, während sie die Kopfhörer ihres Walkmans abnahm und in der Tasche verstaute. Entlang der Straße standen Schneepflüge bereit und erinnerten die Einwohner Philadelphias daran, dass die Meteorologen einen heftigen Schneesturm vorausgesagt hatten.
Violet Sorrensen, seit über sieben Jahren Verwaltungsangestellte im Büro des Bezirksstaatsanwalts, saß so früh am Morgen bereits an ihrem Schreibtisch. Die kräftig gebaute, aber attraktive, braunhaarige Mittvierzigerin, die sehr auf Ordnung bedacht war und einen Hang zum Verkuppeln besaß, hatte Syd bereits beim ersten Treffen ins Herz geschlossen.
Als Syd nun das Büro betrat, legte Violet den Telefonhörer zu Seite. “Oh Liebes, wie geht es dir? Wurdest du verletzt? Warst du beim Arzt?”
“Dafür gibt es keinen Grund, ich habe nur ein verletztes Ego.”
“Gibt es Neuigkeiten von Lilly?”
“Bis jetzt nicht.”
“Nur nicht die Hoffnung verlieren, Liebes, sie werden sie schon finden.” Das Telefon klingelte erneut, aber Violet leitete es um in die Warteschleife und nahm einen Block vom Tisch. “Der ist für dich. Er wurde von einem Jurastudenten vorbeigebracht, Chad Quinn. Er sagte, du hättest ihn gestern im Gerichtssaal vergessen.”
Syd nahm den Block entgegen. Er enthielt Notizen zum Prozess von Simon Burke. Zwar waren sie jetzt nutzlos, weil der Fall abgeschlossen war, aber sie hätte ihn dennoch nicht einfach liegen lassen dürfen, egal wie sehr sie es gedrängt hatte, den Gerichtssaal zu verlassen.
“Danke, Violet. Ich habe gar nicht gemerkt, dass er fehlt.” Sie steckte den gelben Block in ihre Aktentasche. “Hat Chad eine Nummer hinterlassen? Ich würde ihn gern anrufen und mich bei ihm bedanken.”
“Leider nicht. Er musste dringend zu einer Vorlesung und war schon wieder fort, bevor ich ihn danach fragen konnte. Aber ich bin sicher, dass du ihn im Gerichtssaal sehen wirst. Er sagte, dass er versuchen wird, dich zu treffen, wenn du wieder mal dort bist.” Sie zwinkerte Syd zu. “Ich glaube, er ist ein bisschen verknallt in dich.”
Bevor Syd widersprechen konnte, fügte Violet hinzu “Übrigens, im Burke-Fall warst du große Klasse.” Die Sekretärin lächelte sie warmherzig an. “Du hast den Boss glücklich gemacht, und das ist immer eine gute Sache.”
“Der Boss” war Ron Devlin, ein bodenständiger Bezirksstaatsanwalt, der von seinen Mitarbeitern absolute Offenheit und Ehrlichkeit verlangte – und sie vor allem auch selber praktizierte. Auch wenn er anspruchsvoll und manchmal kritisch war, so hatten seine Fairness und seine echte Anteilnahme ihm den Respekt und die Bewunderung der dreihundert
Weitere Kostenlose Bücher