Das Philadelphia-Komplott
dabei.
Mehr erzählte er ihr nicht, auch nicht, als sie ihn nach seinem Treffen mit Lillys Ex-Mann befragte. “Das sind vertrauliche Informationen, Syd, tut mir Leid.”
Um drei Uhr hatte sie ihr Sechs-Stunden-Soll erfüllt und verließ das Büro in Richtung
Philadelphia Sun.
Wie erwartet, herrschte dort eine angespannte Stimmung. Einige der Reporter kannten Syd und schauten erwartungsvoll auf, als sie an ihnen vorüberging. Doch sie schüttelte den Kopf und setzte ihren Weg zum Büro des Chefredakteurs fort, das sich am anderen Ende des Nachrichtenbüros befand. Stan Sherman, der Chefredakteur, wartete bereits auf sie.
Obwohl schon weit über sechzig, war der altgediente Nachrichtenveteran keine Spur ruhiger geworden. Mit seinem dicken Bierbauch, dem dichten grauen Haar, das immer so aussah, als müsste es mal wieder gekämmt werden, und seinem Markenzeichen, den Hosenträgern in gewagtem Dunkelrot, war er weder innerhalb noch außerhalb des Nachrichtenraums zu übersehen.
Als sie sein Büro betrat, stand er mit dem Rücken zu ihr und schaute hinab auf die Market Street.
“Hallo Stan.”
In dem Moment, als er sich zu ihr umdrehte, und sich ihre Blicke trafen, wusste sie, dass die Nachricht von Lillys Entführung ihn hart getroffen hatte. Nach außen hin der harte Kerl, hatte er doch ein sehr weiches Herz, besonders was Lilly betraf. Er hatte sie schon immer gemocht und als großes Talent angesehen. Als sie noch eine Anfängerin war, hatte er sie unter seine Fittiche genommen und ihr alles beigebracht, was sie wissen musste.
“Ich bin froh, dass du gekommen bist, Sydney. Setz dich doch.” Er deutete auf die zwei braunen Ledersessel vor seinem Tisch. “Ich hatte gehofft, dass du in der Zwischenzeit gute Neuigkeiten für mich hast, aber nach deinem Gesichtausdruck zu urteilen, war da wohl der Wunsch der Vater des Gedankens.”
Er ging hinüber zu seinem Tisch und setzte sich. “Chief Yates hat mich übrigens angerufen. Er will so gegen vier Uhr hier sein.” Er schnitt eine Grimasse. “Wo zum Teufel ist Elwood?”
Syd lächelte. Das schien die Frage des Tages zu sein. Sie erklärte geduldig zum wiederholten Male, wo Elwood lag, und warnte Stan, sich nicht von der altmodischen Art des Chiefs täuschen zu lassen.
Stan fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das ihm mittlerweile in alle Himmelsrichtungen vom Kopf stand. “Ich glaube, dass niemand die Risiken und Gefahren wirklich anerkennt, die ein Reporter bei schwierigen Aufträgen auf sich nimmt. Alleine im letzten Monat wurden drei meiner Reporter bedroht.
Offen
bedroht, kannst du dir das vorstellen? Den einen Tag bist du zu liberal, den anderen zu konservativ. Ein verwirrter Leser rief mich gestern sogar an und sagte mir, ich sei ein lausiger Kommunist.”
Syd horchte auf. “Wurde Lilly bedroht?”
“Sie hatte auch ihren Anteil an Irren. Der letzte war dieser Miliz-Typ, den du angeklagt hast, Doug Avery. Er stellte sie vor zwei Tagen, als sie das Gebäude verließ. Er hat sie nicht direkt bedroht, aber er befahl ihr, nicht weiter herumzuschnüffeln und aufzuhören, seine Freunde zu bedrohen. Er war wütend, weil Lilly bei ihren Recherchen herausgefunden hatte, dass er während der High-School-Zeit einige seiner Freundinnen zusammengeschlagen hatte.”
Syd sprang beinahe aus dem Stuhl. “Warum hat man mich nicht informiert? Oder Detective Cranston?”
“Lilly sagte, dass es keine große Sache sei. Eigentlich wollte sie nicht einmal mir davon erzählen. Der Sicherheitsmann, der Avery an dem Abend vertrieben hat, hat es mir erzählt.”
Als Bauarbeiter mit aufbrausendem Temperament war Doug Avery angeklagt worden, eine Prostituierte beinahe zu Tode geprügelt zu haben. Syd hatte alles versucht, um ihn bis zum Prozess im September hinter Gittern zu halten, aber der Richter hatte ihn gegen eine Kaution von einhunderttausend Dollar in bar auf freien Fuß gesetzt. Es war keine große Überraschung, dass die Kautionssumme von Victor van Heusen gestellt wurde, dem Mann, der die Miliz organisiert hatte, der auch Avery angehörte. Da sie befürchtete, dass die Organisation unnötige Gewalt unterstützte, hatte Syd in Vorbereitung auf den Prozess auch van Heusen befragt. Zur ihrem Erstaunen war der Kommandant nicht nur äußerst kooperativ, sondern er schien über den Vorfall auch ehrlich betroffen zu sein.
“Ich weiß nicht, ob Sergeant Avery schuldig ist oder nicht”, hatte er Syd gesagt. “Aber wenn er es ist, erwarte ich von ihm, die Konsequenzen
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