Das Philadelphia-Komplott
sie kein Interesse daran hatte, die kurze Begegnung weiter auszudehnen. Und falls er nicht einen Verstärker für seine Gitarre hatte und diesen bis zum Anschlag aufdrehte, würde sie nie wieder etwas von ihm hören – und er nicht von ihr.
Sobald Syd in ihrem Apartment war und die geschlossene Tür zwischen sich und den Rest der Welt gebracht hatte, schien die Spannung der letzten Stunden von ihr abzufallen.
Sie liebte ihr Zuhause, den Blick über den Washington Square und seine zentrale Lage. Es war klein, aber sie hatte es genau so eingerichtet, wie es ihr gefiel: mit Chintz bezogene Stühle, kleine Tische, auf denen alte Erinnerungsstücke standen, mit Perlen verzierte Lampenschirme, farbenfrohe Teppiche und an den cremefarbenen Wänden moderne Kunstdrucke. Ohne Zweifel war es nicht die ordentlichste Wohnung, aber sie war warm, gemütlich und heimelig. Was könnte eine hart arbeitende Frau mit kleinem Gehalt mehr verlangen?
Sie inspizierte gerade die mageren Vorräte in ihrem Kühlschrank, als das durchdringende Klingeln an ihrer Tür sie aufschreckte. Als sie die Tür öffnete, fand sie sich Auge in Auge mit Lillys Exmann wieder.
Auch wenn der Besuch unerwartet kam, so war sie dennoch nicht überrascht. Mike Gilmore kümmerte sich nicht um die Pläne anderer Leute. Er tat, was er wollte und wann er es wollte, egal, was die anderen davon hielten.
Selbst in seinen lässigen Klamotten sah er aus wie ein Polizist – exakt geschnittene schwarze Haare, glatt rasiertes Gesicht und eine muskulöse Figur, auf die er ausgesprochen stolz war. Abgesehen von ein paar Pfund zu viel, die er aber gut kaschierte, sah er fit und attraktiv aus – wenn man seine arrogante Art ignorieren konnte, die er wie eine zweite Haut trug.
“Wieso hast du so lange gebraucht?”, fragte er, während er an ihr vorbei in die Wohnung ging.
“Was gibt dir das Recht, einfach in meine Wohnung einzudringen? Müsstest du nicht langsam wissen, dass du hier nicht willkommen bist?”
“Ich muss mit dir reden.”
“Dann hättest du anrufen können.”
“Habe ich – zwei Mal. Keiner im Büro der Staatsanwaltschaft wusste, wo du bist. Musst du dich nicht austragen, wenn du gehst?”
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich habe keine Neuigkeiten von Lilly, falls du deshalb …”
“Wo ist meine Tochter?”, unterbrach er sie rüde. “Ich habe gerade mit Dot gesprochen, und sie behauptet, sie wüsste es nicht. Ich weiß, dass sie lügt.”
“Wenn Lilly gewollt hätte, dass du weißt, wo Prudence ist, hätte sie es dir sicherlich gesagt.”
“Hör auf mit der Scheiße, Sydney. Meine Exfrau wurde entführt, was bedeutet, dass jemand sich um Prudence kümmern muss. Und dieser jemand bin ich. Also frage ich dich noch einmal, höflich”, fügte er mit einem kleinen, fiesen Grinsen hinzu. “Wo ist meine Tochter?”
Auch wenn Syd etwas eingeschüchtert war – Mike hatte diesen Effekt auf andere Leute – gab sie nicht nach. “Es ist garantiert nicht meine Aufgabe, dir das zu erzählen. Alles, was dich interessieren muss, ist, dass man sich gut um sie kümmert.”
“Wer?”
“Bist du taub? Oder stellst du dich absichtlich dumm?”
Er wollte einen Schritt auf sie zu machen, besann sich dann aber eines Besseren. “Ich lasse nicht zu, dass meine Tochter bei Fremden untergebracht ist, hörst du? Was ist, wenn es Perverse sind? Oder arme Irre, wie die Branzinis?”
“Die Branzinis sind gute Leute und Prudence betet sie an.”
“Sie sind nicht
normal,
Sydney. Um Himmels willen, Dorothys Bruder ist eine Transe, ihre Schwester spricht mit Toten und ihre Nichte ist ein Schwerverbrecher.”
“Als ob du nicht genau wüsstest, dass Joe Schauspieler ist. Luciana ist eine anerkannte Hellseherin, die der Polizei schon bei vielen Gelegenheiten geholfen hat, und Angie wurde
ein Mal
verhaftet, weil sie demonstriert hatte, und sie wurde sofort wieder freigelassen, als sie die Erlaubnis dafür vorweisen konnte. Warum hältst du dich nicht an die Wahrheit, bevor du schlecht über anständige Menschen redest?”
Seine Miene verfinsterte sich. “War das
deine
Idee? Prudence vor mir zu verstecken?”
“Das ist zu viel der Ehre.”
“Ich glaube nicht. Du hast es schon immer verstanden, Lilly gegen mich aufzuhetzen.
Du
bist der Grund, warum sie die Scheidung eingereicht hat.”
Jetzt musste Syd lachen. “Oh, Mike, du lebst in einer Traumwelt, oder? Lilly hast du ganz alleine verloren. Mit deinen unrealistischen Erwartungen, deinen
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