Das Philadelphia-Komplott
Averys Kaution zurück.
Als eine Wache auf Avery zukam, sprang er auf und drehte sich in Richtung der Galerie im hinteren Zuschauerbereich. “Du kannst nicht zulassen, dass sie mich mitnehmen!”, rief er jemandem zu.
Syd folgte seinem Blick und sah Victor van Heusen in der letzten Reihe sitzen. Mit verschränkten Armen betrachtete er gelassen Avery.
Die Wache legte Avery Handschellen an. “General?” Als Avery merkte, dass sein Kommandant nicht daran dachte, ihm zur Hilfe zu kommen, schaltete er auf Angriff. “Du Hurensohn”, schrie er über seine Schulter, als zwei Wachen ihn aus dem Gerichtssaal führten. “Ich werde dich begraben, hörst du mich? Ich werde dich begraben, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.”
Syd wartete, bis er den Saal verlassen hatte, bevor sie auf van Heusen zuging.
Mit seinem üblichen Lächeln begrüßte er sie. “Ms. Cooper. Schön, Sie wiederzusehen”, sagte er höflich.
“Was war das eben?”, fragte sie.
“Sie meinen Avery?” Er zuckte mit den Schultern. “Er ist sauer auf mich. Gestern rief er mich an, weil er einen Anwalt benötigte. Ich habe ihm gesagt, dass er einen Fehler zu viel gemacht habe, und er dieses Mal selber sehen müsse, wie er da wieder herauskommt, denn mit meiner Hilfe bräuchte er nicht mehr zu rechnen.”
“Das habe ich mir gedacht. Was ich meinte ist, was er mit seinem Ausruf
ich begrabe dich
gemeint hat.”
Ein weiteres Schulterzucken. “Ich denke, das war nur bildlich gemeint, die zu erwartende Reaktion eines zurückgewiesenen Mannes, mehr nicht.” Er schaute auf seine Uhr, dann wieder zu Syd. “War das alles, Ms. Cooper? Ich habe noch einen dringenden Termin.”
So gern sie ihn noch weiter vernommen hätte, sie hatte keinen Grund, ihn länger festzuhalten. “Ja, das war alles.”
Sie blickte ihm nach, als er davonging. Seine präzisen, sicheren Schritte wirkten, als ob er marschieren würde. Hatte sie Avery
und
van Heusen zu schnell von der Verdächtigenliste für Lillys Entführung gestrichen? Oder hatte Averys Ausbruch damit überhaupt nichts zu tun?
Zu ihrer Überraschung war Detective Cranston bereits im Gefängnis, als sie dort ankam. Als er sie sah, kam er mit finsterer Miene zu ihr herüber. “Avery wurde schwer zusammengeschlagen”, sagte er, als er ihr einen Besucherausweis an die Jacke heftete.
“Zusammengeschlagen? Von wem? Er ist doch
gerade erst
eingetroffen!”
“Seine drei Zelleninsassen sagen, dass er gleich nach seiner Ankunft total ausgeflippt ist und sie angegriffen hat.”
“Wo war die Wache?”
“Schon gegangen.”
“Haben Sie sie befragt?”
Cranston nickte. “Der Wachmann sagt, dass es Avery noch gut ging, als er ihn verließ.”
Syd dachte an ihre Unterhaltung mit van Heusen. Wie ungerührt er während Averys Ausbruch wirkte. Mit seinen Kontakten war es für ihn ein Leichtes, Avery zusammenschlagen zu lassen. “Wo ist er jetzt?”
“Sie haben ihn auf die Krankenstation gebracht.”
“Ich möchte ihn sehen.”
“Es kann sein, dass Sie nicht mit ihm sprechen können. Ich habe gehört, dass es ihn ziemlich erwischt hat.”
“Ich versuche es trotzdem.”
Er führte sie durchs Treppenhaus hinunter in einen weiteren Flur.
“Sie können nur ein paar Minuten bleiben”, sagte ihnen die Schwester, als sie die Krankenstation betraten. “Er hat starke Beruhigungsmittel bekommen. Er braucht jetzt seine Ruhe. Wahrscheinlich schläft er schon.”
Von den anderen Patienten durch Vorhänge getrennt, lag Avery auf einer Trage. Er sah schlimm aus. Beide Augen waren zugeschwollen, die aufgeplatzte Unterlippe blutete noch immer und sein Brustkorb war fest bandagiert. Es sah aus, als ob er schliefe.
“Mr. Avery?” Syd beugte sich über ihn. “Doug? Können Sie mich hören?”
Mühsam öffnete er ein Auge.
“Haben
Sie
den Kampf angefangen, Doug?”
Seine Hand bewegte sich in Richtung Magen und blieb dort liegen.
“Gehen Sie weg.”
“Doug, hören Sie mir zu. Ich kann Ihnen helfen. Ich kann Ihnen eine Einzelzelle besorgen, wo niemand Ihnen zu nahe kommen kann. Aber Sie müssen mir auch helfen. Erzählen Sie mir die Wahrheit. Hat van Heusen die Schläger beauftragt?”
Er schaute sie an, und für einen Augenblick hatte Syd das Gefühl, dass er bereit war, mit ihr zusammenzuarbeiten. Doch diese Hoffnung währte nur kurz. “Ich war’s”, murmelte er. Ganz offenbar hatte er Schwierigkeiten und Schmerzen beim Sprechen. “Ich habe Streit angefangen.” Er befeuchtete seine blutige Lippe.
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