Das Prinzip Selbstverantwortung
erklären oder gar zu entschuldigen. Die |118| Störung von außen lässt immer viele Optionen offen. Veränderungen auf den Märkten sind niemals »Ursache« für bestimmte Auswirkungen im Unternehmen. Sie »erzwingen« gar nichts. Vielmehr hat das Unternehmen viele unterschiedliche Möglichkeiten, auf die Wechselfälle in den Märkten zu antworten. Diese Antwort fällt von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich aus. Einige überleben, einige nicht. Dafür sind sie verantwortlich. Und niemals der Markt.
Wie gering der Handlungsspielraum auch erscheinen mag – selbstverständlich bleibt die Verantwortung der Handelnden bestehen. Keineswegs hebt die nüchterne Ursachenanalyse die Kategorie der persönlichen Verantwortung auf. Natürlich können Sie als Führungskraft darüber jammern: »Die Arbeitsmoral ist gesunken. Der Wertewandel hat die Leute verändert.« Sie können aber auch sagen: »Wir arbeiten immer noch in Strukturen des 19. Jahrhunderts. Wir haben es versäumt, ein Unternehmen zu schaffen, in das die Leute gerne kommen. Wie können wir das ändern?« Im ersten Fall sind Sie machtlos. Opferbewusstsein in Reinform. Im zweiten Fall übernehmen Sie Verantwortung: für das, was ist, und das, was werden soll. Eine Frage der Perspektive. Macht hat auch hier, wer macht.
Verantwortung des Einzelnen
»Dieselbe« Situation ist offen für eine Vielzahl von Interpretationen: Eine solche Denkweise definiert den Raum der Selbständigkeit des Denkens und Handelns, das sich keiner angemaßten Autorität beugt. Sie erhöht aber auch – und das ist hier besonders wichtig – die
Verantwortung des Einzelnen
für die Gestaltung seiner Umwelt. Eben in diesem Hinweis auf erhöhte Selbst-Verantwortung sieht Heinz von Foerster einen der wichtigsten Gründe für die verbreitete Skepsis: »Die Anrufung der Objektivität ist gleichbedeutend mit der Abschaffung der Verantwortlichkeit; darin liegt ihre Popularität begründet.«
»Alles, was uns widerfährt, ist nur ein Echo auf das, was wir sind« (Jean Gebser).
Eine
Antwort könnte sein, die Dinge zu verändern. |119| Das können nur Sie tun, weil nur Sie es so erleben, wie Sie es erleben. Warten Sie nicht darauf, dass die anderen etwas tun. Die anderen erleben es anders. Wenn Mitarbeiter sich wundern, dass ihre Chefs nicht handeln, untätig bleiben, nicht reagieren: »Aber das muss er doch auch so sehen!« Sieht er nicht. Er sieht es anders. Weil er ein anderer ist. Andere Absichten hat. Andere Erfahrungen gemacht hat. Andere Erwartungen hat. Nur Sie sehen es so. Also sind Sie auch derjenige, der es angehen kann. Nur Sie antworten auf diese Situation so, wie Sie antworten. Also sind Sie auch in der Verantwortung.
Wenn Nietzsches Satz »Nichts ist, wie es ist« praktisch ist, dann ist es die wichtigste Aufgabe jedes einzelnen, die Initiative zu ergreifen und dieses »es« immer wieder neu zu definieren. Die Arbeitsorganisation ist radikal auf Subjektivität angewiesen. Sie muss Subjektivitätschancen formulieren, die im Erkennen und Bewältigen von Störungen liegen. »Aber das ist doch subjektiv!« Ja, gerade
weil
es subjektiv ist, sind Sie in der Verantwortung. Selbstverantwortung gibt es nur bei radikaler Subjektivität.
Wir verstehen uns doch?
Man hat in der Kommunikations- und Führungspsychologie über Jahre das »aktive Zuhören« trainiert. Oft weniger, um den anderen besser zu verstehen, eher, um ihn besser über den Tisch ziehen zu können. »Wer fragt, der führt!« (Regieanweisung: interessiert, aufmerksam): »Darf ich Ihnen zunächst einige Fragen stellen?«, »Soso«, »Interessant!«, »Hm, hm« (zugewandte Sitzposition, freundliches Lächeln, zustimmendes Nicken, leicht geneigter Kopf). Führungs-Technik halt. Schraubendreher-Logik. Alles aus dem Geist der Manipulation.
Dann wurde das verfeinert. »Empathie« etwa, Einfühlungsvermögen war jetzt angesagt. Man solle sich dem Mitarbeiter einfühlend zuneigen. Verantwortlich handeln Sie, wenn Sie die Außenwelt als Spiegelung Ihrer Innenwelt anerkennen: versuchen, es auch einmal durch seine Brille zu sehen. Klang irgendwie nett. Hatte aber auch eine Schlagseite, kam immer leicht von oben, |120| aus der Position des Gewährenden, Überlegenen (für die Transaktionsanalytiker: verdeckt aus dem gütigen Eltern-Ich). Die schiefe Kommunikation zwischen zweien, von denen der eine der Forscher, der andere der Erforschte ist.
Und es funktioniert nicht. Weil es gar nicht funktionieren kann. Nicht, weil es
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