Das Prinzip Selbstverantwortung
werden, dass andere in Ihnen etwas Vorbildliches sehen – als Fremd-Zuweisung, Attribuierung; aber nicht als Selbstinszenierung. Zum Vorbild macht man sich nicht selbst, sondern man wird dazu gemacht. Vorbild sein ist allenfalls eine
passive
Qualität, keine aktive.
Ein Vorbild zum Hinterherlaufen kann also nicht (im Doppelsinn) »vorgesetzt« werden. Wenn schon Vorbild, dann wählt der Einzelne es selbst, nach seinen individuellen Kriterien. Vorbilder sind keine Sterne, die von alleine leuchten, sondern, wenn überhaupt, Laternen, die wir in uns selbst anzünden.
Wer aber versucht, aktiv Vorbild zu sein, wird es wohl gerade deshalb nicht. Das (aktive) Vorbild handelt nicht, um zu handeln, sondern um Vorbild zu sein; es verlagert damit den Schwerpunkt, das Motiv seines Handelns nach außen; es will »scheinen« (man beachte den Doppelsinn); es inszeniert sein Tun als Wirkung auf andere. Und es wird gerade dadurch seine Wirkung verfehlen. Mitarbeiter haben in der Regel ein sehr feines Gespür für Glaubwürdigkeit. Gerade und vor allem, wenn es daran mangelt.
Brauchen wir nicht dennoch diesen Kanon des Vorbildlichen? Ich übersehe nicht, dass in vielen Unternehmen die Vorbildlichkeit – dort oft auch »Parkettfähigkeit« genannt – als Voraussetzung für (Be-)Förderungswürdigkeit gilt. Natürlich weiß ich auch, dass viele Mitarbeiter Vorbilder (gleichsam als Vater- und Mutterersatz) |151| zu brauchen glauben. Und bekannt ist mir ebenso, dass insbesondere das schlechte Beispiel des Vorgesetzten einerseits die Legitimität der Führungsposition in Frage stellt, andererseits häufig als Freifahrtschein für das Fehlverhalten der Mitarbeiter gilt.
Gleichwohl – müssen wir das auch noch fördern? Noch durch normativ aufgeladene Führungsrichtlinien fordern? Ist es wünschenswert, dass dieses ethische Soll als Zielverpflichtung gilt? Und ist diese Forderung in Zeiten hochvernetzter Arbeitsstrukturen, Team-Organisationen, internationaler Mobilisierung und Flexibilisierung, flacher Hierarchien und breiter Führungsspannen, einer auf Symmetrie und Partnerschaft abzielenden Wertedynamik, eingedenk der Sozialisationsprozesse, die auf frühe Selbständigkeit und ausgeprägte Individualisierung zielen – ist diese Forderung noch hilfreich und sinnvoll? Und kann jemand ernsthaft glauben, dass die zwischen 1945 und 1965 Geborenen, die das heutige Mangement dominieren, eine vorbildgläubige Generation seien? (Achten Sie mal darauf, wie oft bei den beliebten Persönlichkeits-Fragebögen – z. B. in der FAZ – die Frage nach einem Vorbild unbeantwortet bleibt.) Grundsätzlich skeptisch gegen alle moralgepanzerten Ideale, entideologisiert, pragmatisch, aufgewachsen in einer Ethik des umfassenden Selbst, sind sie die abgeklärt Aufgeklärten, mit eher ironischem Verhältnis zu Moralathleten. Für sie gibt es keine autoritativen Eindeutigkeiten mehr, sondern nur noch Subjektivismen, Einstellungen, Präferenzen. Für sie sind die traditionell wertsetzenden Vorbilder schon längst mental emeritiert. We don’t need another hero.
Jeder kennt die ursprüngliche Reaktion, wenn man jemanden als Vorbild vorgesetzt bekommt; man wertet offen oder insgeheim ab, sucht nach dem kleinen Fehler – um die Situation sozialer Ungleichheit auszubalancieren. Nein, es geht nicht darum, vorbildlich zu sein. Es geht darum, glaubwürdig und authentisch zu sein. Es ist ein Unterschied, ob Sie authentisch sind, weil es für Sie selbst wichtig ist – oder ob Sie andere damit manipulieren wollen. Glaubwürdige Führungskräfte ermutigen das Vorbild
in jedem
Einzelnen
. Jeder Mitarbeiter stellt eine einzigartige Persönlichkeit dar. Jeder Mitarbeiter darf beanspruchen, in seiner Einzigartigkeit respektiert zu werden. Unabdingbare Voraussetzung für echtes |152| Commitment ist, sich von der ständigen Außenleitung durch Vorbilder zu lösen und die Verantwortung für das Handeln selbst zu übernehmen. Thomas Banyacya, Hopi-Elder, sagt: »No one can predict to what height you can soar, until you have spread your wings.«
Und Emerson schreibt in seinem »Selbst-Vertrauen«:
»Es
kommt in der Erziehung eines jeden Menschen eine Zeit, in der er
zur Überzeugung gelangt, dass Neid Unwissenheit, dass Nachahmung
Selbstmord ist, dass er in Freud und Leid sich als sein Schicksal
akzeptieren muss; dass, obgleich das Universum voll von guten
Dingen ist, kein einziges nahrhaftes Korn zu ihm kommen kann
außer durch seine Arbeit, die er dem Fleckchen Erde
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