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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Entscheidung an den Stiftungsvorstand. Ein Desaster.
    Wir haben hier wieder das Grundproblem der organisierten Unverantwortlichkeit: Nicht das Unternehmen erstellt die Leistung, sondern ein partikularer Teil; »wir« leisten den wichtigsten Beitrag. Es herrscht kein Prozessbewusstsein, sondern ein Abteilungsbewusstsein. Überdies scheinen hier einige psychologische »Altlasten« hochgespült zu werden, die offenbar schon längere Zeit einer aktiven Bearbeitung harren. Dennoch griffe es zu kurz, dem Pflegedienst lediglich Egoismus vorzuwerfen und ein moralisch aufgeschäumtes Gemeinschaftsgefühl einzuklagen. Der Konflikt wäre vermeidbar gewesen: Die Heimleiterin bringt die Dienste in die Verantwortung. Sie schildert kurz die Situation und moderiert einen Entscheidungsprozess.
Das
ist die Aufgabe von Führung: eine Situation herbeizuführen, in der alle Sichtweisen respektiert werden sowie die berechtigten Ansprüche der Beteiligten offengemacht und verhandelt werden können.
    Und dies möglichst,
bevor
am konkreten Anlass die offenbar lange verschleppten schlechten Gefühle explodieren.
    Johannes Kohl, Geschäftsführer der Wacker-Chemie, resümiert die seit 1985 in seinem Unternehmen laufenden Enthierarchisierungsprozesse: »Es ist überraschend, welche erstaunlichen Ergebnisse Sie erzielen, wenn Sie die Entscheidungskompetenz dahin verlagern, wo auch die Sachkompetenz sitzt.« Aber Führungskräfte haben sich angewöhnt, für ihre Mitarbeiter Wahlentscheidungen zu treffen. Das ist ein wesentliches Element ihres Rollenselbstbildes. Die Folgen liegen auf der Hand: Mitarbeiter gehen für die Entscheidung nicht in die Verantwortung. Ein Qualitätsprüfer, der seinen Job selbst abgeschafft und die Qualitätsprüfung wieder in die Hand der »Produzenten« gelegt hatte, erzählte mir: »Was immer ich tat, es war falsch. Wenn ich entschied, auch die qualitativ schlechteren Produkte zu verkaufen, häuften sich die Kundenreklamationen. Unsere Leute sagten dann: ›Sie hätten diese Charge nicht freigeben dürfen!‹ Wenn ich die Ware zurückhielt: ›Einiges von dem Material ist doch nicht so schlecht. Das hätten wir doch noch verkaufen können. So aber bekommen wir unseren Quartalsbonus nicht. Das ist unfair.‹«
    |174| Es gibt zweifellos viele Mitarbeiter, die gerne und immer schon Verantwortung übernehmen. Die allermeisten Mitarbeiter fühlen sich verantwortlich für ihr Werk, für die Erfüllung einer Aufgabe, für das Lösen eines Problems, für das Erreichen eines Ziels. Wenn es nicht so wäre, würden manche Unternehmen gar nicht mehr existieren. Ein mittelständischer Bauunternehmer: »Mein Kranführer kauft den Kran selber. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht. Es ist dann ›sein‹ Kran. Er fühlt sich dafür verantwortlich.«
    Meiner Erfahrung nach ist dieses Gefühl extrem verbreitet: »Wenn die uns doch mal machen lassen würden.« Solche Mitarbeiter kann man nur demotivieren, indem man ihnen Verantwortung wegnimmt. Dann ist die Reaktion: »Warum engagiere ich mich hier eigentlich?« Dann kann passieren, was sich in einem großen Möbelkaufhaus des Ruhrgebiets zutrug. Dort wurde der Möbeleinkauf, den vorher die Verkäufer selbst zu verantworten hatten, im Rahmen einer großangelegten Restrukturierung von einer zentralen Einkaufsstelle übernommen. Man glaubte dadurch mit Blick auf die Kosten endlich »über den Berg« zu sein. War man auch: Von da an ging’s bergab. Der Umsatz sackte in den Keller. Die Verkäufer erkannten sich nicht in den Möbelstücken wieder, die ihnen von der Zentrale zum Verkauf »vorgesetzt« wurden. Sie entwickelten keinen Stolz auf diese Produkte und verkauften lust- und erfolglos. Eine typische Reaktion auf Ent-Antwortung.
    Zumutung: Wahl-Freiheit
    Aber es gibt auf der anderen Seite eben auch Mitarbeiter, denen die Fahne der Flucht durch die Köpfe weht. Diese Mitarbeiter arbeiten hart daran, ihre Chefs hart arbeiten zu lassen. Und die Chefs arbeiten hart daran, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen, die nicht die ihren sind. Der Versuch, Verantwortung zu vermeiden, geht dabei oft mit selbstgewähltem Klein machen einher: »Diese Entscheidung ist Managementaufgabe. Dafür werden wir nicht bezahlt.« Klar – sie wurden über Jahre trainiert, von den Entscheidungen ihrer Chefs abhängig zu sein.
    |175| Oder verdeckter als »Sich-dumm-Stellen«. Der Marketing-Vorstand eines großen Lebensmittelkonzerns wundert sich: »Die Mitarbeiter übernehmen keine Verantwortung,

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