Das Prinzip Terz
Er schloss sie in die Arme.
Drei Polizisten umringten sie mit gezogenen Waffen. Überprüften mit schnellem Griff die am Boden liegenden Verbrecher. Einem fehlte der halbe Kopf. Auch der andere schien tot zu sein. Die Kollegen hatten kein Mitleid gehabt. Oder zu wenig Schießtraining.
Ein paar Meter weiter lag Scaffo, das Gesicht im Waldboden. Auch neben ihm kniete ein Beamter mit gezogener Waffe, tastete nach dem Puls.
»Bleib hier«, flüsterte er Elena zu und schob sie den Polizisten in die Arme. Die Männer rannten mit ihr in Sicherheit.
Terz griff sich die Maschinenpistole eines der Toten.
»Geben Sie auf! Das Gelände ist umstellt!« Das war Sammi.
Fodl, zehn Meter weiter hinter einem Busch nur notdürftig versteckt, nahm die Szene mit unübersehbar zitternder Hand ins Visier. Der Fotoapparat explodierte in seinem Gesicht. Der Reporter heulte auf, taumelte, stürzte.
Alle verbliebenen Polizisten rannten auseinander. Terz rettete sich nicht weit von Fodl hinter einen Baum. Mit bösem Knacken bissen zwei Kugeln in das Holz.
Er lauschte und prüfte das Magazin. Es war voll. So eine Waffe hatte er nur während der Ausbildung einmal in der Hand gehalten. Sie war auf Einzelschuss gestellt. Gut.
Noch mehr Geschrei.
Er rannte los, zum nächsten Baum, hinter ihm zerfetzten Geschosse das Unterholz. Kurz in Deckung, weiter zu Fodl.
Der Reporter lag reglos neben einem Baum, das Gesicht blutüberströmt.
»Fodl! Lebst du noch?«
Fodl stöhnte, schlug die Hände vor das Gesicht. Terz fand einen regelmäßigen Puls. Hinter sich hörte er Zweige brechen. Er fuhr hoch.
Ramscheidt entdeckte ihn gleichzeitig. Seine Waffe zielte auf Terz. Sie standen sich in etwa fünf Metern Entfernung gegenüber.
Scaffo war bereits erledigt. Wenn auch Ramscheidt tot war, konnte er keine falschen Behauptungen mehr in die Welt setzen – oder noch schlimmer, richtige. Wenn, dann musste er schnell schießen. Bevor ein Kollege Zeuge werden konnte.
Wie gemeißelt stand Ramscheidt vor ihm. Obwohl Terz nur Sekundenbruchteile nachgedacht hatte, war es zu lang gewesen. Ramscheidt erriet seine Gedanken.
»Du hast von Anfang an gewusst, dass wir nicht die Kantau erledigen wollten, sondern dich«, presste er hervor.
Die Entscheidung erreichte Terz’ Zeigefinger.
»Werfen Sie die Waffe weg!« Maria Lunds Ruf kam irgendwo von der rechten Seite.
»Waffe weg!«, hörte Terz nun auch einen Mann, dessen Stimme er nicht erkannte.
Ramscheidt sah sich hektisch um. Behielt die Pistole im Anschlag. Ein eingekreistes Tier.
Terz fluchte innerlich. Ramscheidt durfte nicht aussagen. Aber er gehörte nicht zu den Typen, die sich aus einer so ausweglosen Situation freischießen. Und dabei umkommen.
»Verdammt! Waffe weg!«, brüllte die Männerstimme noch einmal.
Ramscheidt fuhr herum und versuchte den Mann zu orten.
»Achtung, er schießt!«, rief Terz. Und drückte ab. Er hatte ein gutes Stück über Ramscheidts Kopf gezielt.
Vier Schüsse fielen fast gleichzeitig.
Ramscheidt torkelte, als habe ihn jemand geohrfeigt. Suchte ein Ziel. Fand Terz.
Geschrei überall. Terz sprang zur Seite.
Wie durch ein Vergrößerungsglas sah er Ramscheidt das Magazin leeren. Vielfacher Widerhall des Echos in den Bäumen schuf eine ohrenbetäubende Lärmkulisse. Terz stolperte, ein harter Stoß traf ihn gegen die Brust. Gleichzeitig riss Ramscheidts Anzug punktförmig an Armen, Beinen und Brust. Er taumelte, fiel.
Auf seinem Jackett breiteten sich dunkle Flecken aus. Lund und zwei Männer stürzten zu dem Reglosen, die Waffen bereit.
Ein Stummfilm lief ab. Terz sah die Menschen schreien und gestikulieren. Hörte nichts. Er selbst fand sich am Boden. Wälzte sich, fühlte sich seltsam schwer.
Terz lauerte hinter einem Grashügel, neben Tommi. Auf ihren Köpfen trugen sie Federschmuck, die Holzgewehre ragten über die Erhöhung vor ihnen. Ihre Lippen formten Laute, die Gewehrfeuer sein sollten, aber er konnte nichts hören. Die Welt war lautlos. Die Augen seines Vaters. Eine Segeljolle auf der Alster und noch eine und noch eine, braun gebrannte Jungen und Mädchen, er einer davon, auf den nackten Armen glitzernde Wasserspritzer. Seine Mutter beugte sich über ihn und gab ihm einen Gute-Nacht-Kuss. Warum spürte er nichts mehr? Kein Pochen im Kopf, kein Schlagen in der Brust. Elena lacht in ihrem Hochzeitskleid, wirft ihren Strauß. Lilis verschmierter Körper unmittelbar nach der Geburt, ihr erster Schrei. Biel! Kim streichelt Onkel Vito. Sammis Gesicht, sagt
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