Das Prinzip Terz
gekommen.
Fred freute sich über den gelungenen Coup. »Tu nicht so überrascht. Wir sind eben diskret. Politiker, Tycoons, ich könnte dir hier auf Anhieb dreißig Leute outen, von denen es niemand ahnt.«
»Kennst du jemanden, der mit Sorius …?«
»Nicht konkret. Diese Leute bevorzugen Jüngere. Wenn es dir weiterhilft, kann ich mich gerne einmal umhören.«
»Hier?«
Fred lächelte vielsagend. »Mal sehen«, sagte er und schüttelte einem Mann die Hand, der eben zu ihnen gestoßen war.
Terz merkte jetzt, wie unsicher seine Zunge war und dass er zu laut sprach. Er hasste diesen Zustand bei anderen. Er förderte die Müdigkeit. Sein Blut verwandelte sich in fließendes Blei, seine Lider brannten, wie jeden Abend um diese Zeit. Halb elf, zu früh zum Nachhausegehen. Er wanderte weiter, um aufzuwachen und auszunüchtern, hier ein Hallo, da einige Worte, dort ein Lächeln. Gern hätte er sich allein unter einen der alten Bäume am Elbhang gesetzt und in der dunklen Stille dem Wasser zugesehen, doch Gesellschaft duldet keine Außenseiter, und diese schon gar nicht. So begnügte er sich mit ein paar Minuten gesprächlosen Treibenlassens durch die Menge. Bei Bedarf setzte er zur Überbrückung drohender Solo-Momente eine dezente Variante des »Präsidentengrußes« ein: Das Winken in die anonyme Menge ließ den flüchtigen Beobachter glauben, man grüße einen Bekannten, war also in den großen Kreis eingebunden, und so blieb der Schein der Gesellschaftsfähigkeit gewahrt.
Er angelte sich ein Mineralwasser, als Innensenator Egbert Göstrau mit breitem Politikerlächeln unter der Goldrandbrille auf ihn zusteuerte. Bei ihm waren Polizeipräsident Jost Meffen und ein kahl rasierter Assistent des Bürgermeisters, Bernd Söberg. Seit seinen außerpolizeilichen Erfolgen war er mit den beiden per Du. Einen vierten Mann in Terz’ Alter stellte Söberg als Lukas Ramscheidt vor, Geschäftsführer und Kronprinz von Wolf Wittpohl, seines Zeichens Immobilien- und Medientycoon und einer der einflussreichsten Männer Deutschlands. Ein interessanter Kontakt, und Terz gab den besonders Erfreuten.
Göstrau schüttelte Terz die Hand, als drehe er eine Kurbel, und dröhnte: »Unser bester Mann.« Er zog ihn vertraulich näher. »Ich sah schon, Sie amüsieren sich gut heute Abend.«
»Bei so vielen netten Menschen.«
»In Ihrem Beruf ist so eine Party ja eine unterhaltsame Abwechslung. Als Politiker muss man da jeden Abend hin. Erst recht jetzt, wo der Wahlkampf ansteht.«
»Leider hat der ja nun mit einem schweren Verlust begonnen«, seufzte Meffen.
Mit andächtigem Starren ins Nichts gaben die Männer vor, den verblichenen Sorius zu betrauern. Damit stand das Thema fest. Zum Glück war Terz wieder etwas nüchterner, und die Müdigkeit wich amüsierter Aufmerksamkeit.
»Ja, eine unerfreuliche Sache«, sagte Göstrau. »Der Bürgermeister kann keine Schmuddelgeschichten in seinem Umfeld gebrauchen. Schon gar nicht im Wahlkampf.«
Dieses Mitgefühl.
Meffen legte nach. »Aufgabe der Polizei ist das Lösen von Fällen und nicht das Staubaufwirbeln. Nicht wahr, Konrad?«
Das war deutlich. So viel Sorge rang Terz seine harmloseste Miene ab: »Wo kein Staub ist, kann keiner aufgewirbelt werden.«
»Genau«, zeigte sich Göstrau erfreut über derartiges Verständnis. Der Innensenator beugte sich näher zu Terz und legte seine Hand vertraulich auf den Unterarm des Kommissars. »Ich beobachte Sie ja schon länger. Sie haben das seltene Talent, Menschen ganz natürlich für sich einzunehmen. Manche nennen es Charisma.« Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: »Und Sie wissen die richtigen Prioritäten zu setzen. So jemanden können wir immer gebrauchen. Nicht nur bei der Polizei.«
Ramscheidt verfolgte das Gespräch gelangweilt.
Göstrau schenkte seinem Polizeipräsidenten einen bedauernden Blick. »Der liebe Jost wird sich zwar nicht freuen, dass ich ihm seinen besten Mann streitig machen will. Aber in einem Jahr sind Bürgerschaftswahlen. Und in der Partei kann man sich gut vorstellen, jemanden wie Sie mit einem verantwortungsvollen Posten zu betrauen. Sicherheitssprecher zum Beispiel.«
Wollte sein oberster Dienstherr ihn gerade mit der Aussicht auf einen Prestigeposten dazu bringen, den Fall Sorius schnell und diskret in den Akten verschwinden zu lassen? Terz prostete Göstrau zu:
»Wie wär es mit Innensenator?«
Dieser lachte zurück. »Sind Sie Parteimitglied? Ach, egal. Hauptsache, Sie stehen auf der richtigen
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