Das Prinzip Terz
Der Schauer verging.
»Illegale Parteienfinanzierung ist in diesem Land längst ein Volkssport. Deshalb bringt man doch niemanden um.«
»Kommt wahrscheinlich auf den Umfang an. Oder was noch dranhängt. Letztens gab es immerhin ein paar Jahre Gefängnis für Schmiergeldzahlungen im Kölner Müllskandal.«
Fodls Blick folgte einem einsamen Sportruderer, der auf seinem überdimensionalen Streichholz an ihnen vorbeizuschweben schien.
»Damit kann ich noch nicht viel anfangen. Keine Beweise, keine Indizien. Warum erzählst du mir das überhaupt? Um von deinen Schwierigkeiten abzulenken?«
»Du bist Journalist. Dir geht es um die Wahrheit. Darum geht es dir doch? Oder ging es einmal.«
»Es geht um Schlagzeilen.« Abwesend nippte Fodl an seinem Kaffee.
»Ich treffe heute Nachmittag Wittpohl.«
»Trotz Suspendierung?«
»Vielleicht kannst du mir helfen. Nachdem ich auf meine lieben Kollegen verzichten muss. Dafür bekommst du die Geschichte exklusiv. Wenn du eine Kamera hast, mit Bildern.«
Auf einer Visitenkarte notierte Terz die Handynummern von Perrell, Lund und Brüning. Er schob sie zu Fodl. »Falls irgendetwas passieren sollte, informierst du meine Kollegen.
»Was muss ich tun?«
»Mich beschatten.«
Fodl machte das gar nicht schlecht. Nur gelegentlich tauchte sein alter Golf in Terz’ Rückspiegel auf. Gemächlich steuerte Terz durch Blankenese und checkte seine Mailbox auf Nachrichten. Tatsächlich war da wieder ein wütender Sammi.
»Konrad, ich habe dich zur Fahndung ausgeschrieben! Alle Polizisten Hamburgs suchen dich!«
Bis jetzt hatten sie ihn nicht gefunden. Ein paar Kilometer weiter erreichte er die angegebene Adresse. Eine übermannshohe Mauer mit Stacheldraht, dessen Enden nicht zu erkennen waren, begrenzte das Grundstück. Als Terz in die Einfahrt bog, sah er Fodl in seiner Rostschüssel vorbeifahren. Am Eingang empfing ihn eine Gegensprechanlage mit Kamera. Es war drei Minuten vor drei Uhr.
Mit leisem Summen öffnete sich das Tor. Kein Mensch war zu sehen. Hinter der Mauer öffnete sich ein englisch angelegter Park. In sanften Windungen schlängelte sich die kiesbestreute Zufahrt zwischen Rhododendren und uralten Bäumen, bis schließlich eine klassizistische Villa inmitten eines perfekt gepflegten Rasens auftauchte. Sie stand auf einem Hügel, hinter dem der Elbabhang begann. Jenseits des Flusses verschwammen die Grenzen zwischen Land und Luft in diesigem Licht.
Auf dem Platz vor der Villa hockten drei Limousinen und ein Sportwagen wie sprungbereite Tiere. Terz parkte seinen Wagen daneben und stieg aus. Gleichzeitig öffnete sich die Tür des Hauses, und ein livrierter Diener trat auf den Treppenabsatz, um ihn zu empfangen.
So viel hatte Terz von Elenas Stilbildung mitbekommen, dass er die klassizistische Einrichtung des Salons als zum Haus passend und vielleicht sogar original einordnen konnte. An den offenen Türen zur Terrasse erwarteten ihn Ramscheidt und Wittpohl. Terz erinnerte sich, das selten fotografierte Gesicht letzte Woche bei Meyenbrinck kurz gesehen zu haben. Der Tycoon musste seinen Blick kaum heben, um Terz gerade in die Augen zu sehen.
Es gibt Männer, an denen wirkt alles unverrückbar. Mensch gewordener Fels. Sie besitzen die Aura absoluter und nicht zu hinterfragender Macht. Männer an der Spitze von Heeren, Drogenkartellen und Großkonzernen. Wolf Wittpohl war einer von ihnen.
Verstärkt wurde der Eindruck noch durch die Tatsache, dass alles an dem Mann groß war. Sein Kopf, seine Gliedmaßen, seine Hände, seine Füße, Ohren, Augen. Und doch wirkte die vierschrötige Figur in dem raffinierten Maßanzug geradezu aristokratisch. Der gelackte Ramscheidt wurde neben ihm zum Lakai.
Terz ahnte, dass sie nicht allein waren. An dezenter Stelle auf der Terrasse entdeckte er eine dritte Gestalt. Der Mann war wahrscheinlich noch größer und doppelt so breit wie er und Wittpohl gemeinsam. Kahl geschorener Kopf, Sonnenbrille und Stiernacken, grauer Designeranzug. Terz hatte erwartet, dass er bei der Ankunft durchsucht würde, doch der Securitymann bewegte sich nicht.
Wittpohls Hand umschloss die von Terz wie ein Gipsverband. Im Kontrast dazu stand seine weiche Stimme:
»Höchste Zeit, dass wir uns kennen lernen. Setzen wir uns doch draußen hin.«
Im Vorbeigehen musterte Terz den Sicherheitsmann. Ein schwarzes Kabel verschwand neben einer Narbe hinter seinem Ohr im Jackettkragen. Jemand mit diesem Aussehen war bei Tönnesen an dessen Todestag gesehen worden.
Terz
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