Das Prinzip Terz
eine große Wohnung gekauft. Die ist noch nicht abbezahlt. Die Kinder gehen in eine kostspielige Privatschule. Und später auf noch teurere Universitäten …«
»Tja, so eine Wohnung und die Ausbildung der Kinder, da kommt etwas zusammen«, dachte Wittpohl laut. »Ich habe keine Kinder. Aber ich denke, eine Million ist da weg wie nichts …«
»Zwei Millionen. Und der Beweis meiner Unschuld.«
Wittpohl zuckte mit einer Augenbraue. Immerhin.
»Wie stellen Sie sich das vor?«
Scaffo stand wie eine Statue im Anzug. Trotz der Hitze war sein Gesicht trocken. Im Gegensatz zu Terz, der es aber vermied, sich abzuwischen. In so einer Situation war Schwitzen ein Zeichen von Schwäche. Selbst an heißen Tagen. Fand Terz insgeheim, auch wenn er wusste, dass es lächerlich war. Doch gegen ein Gefühl hilft kein Gedanke. Er spürte die kleinen Tröpfchen auf seiner Stirn. Noch hatte keines sich in Bewegung gesetzt.
»Jemand muss ein Geständnis ablegen. Für alle vier Toten.«
»Wer sollte das sein?«
»Herr Ramscheidt hier?« Terz grinste. »Oder Herr Scaffo.«
»Gar nicht so weit hergeholt. Aber unrealistisch.«
»Scherz beiseite. Gut wäre jemand, der schon verdächtigt wird.«
Ramscheidt stellte sein Glas ab. »Da gibt es genau Sie selbst und Amelie Kantau. Warum sollte sie ein Geständnis ablegen?«
»Ihr Mann will sich von ihr scheiden lassen. Er will sie ruinieren. Sie steht unter Mordverdacht. Eine fast hoffnungslose Situation. Grund genug, sich das Leben zu nehmen.«
Wittpohl rief Scaffo. Der glatzköpfige Riese baute sich neben Ramscheidt auf.
»Sie wird einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem alles steht. Motive, Zusammenhänge und so weiter.«
»Das wird sie nicht freiwillig tun«, gab Ramscheidt zu bedenken.
»Natürlich nicht«, warf Scaffo ein, als unterhalte er sich über Rosenzucht. Er hatte eine sehr sanfte Stimme.
»Es muss schnell gehen«, forderte Terz. »Die Medien haben es auf mich abgesehen. Das muss aufhören.«
»Sonst …?«
»– sähe ich mich gezwungen, zu meiner Entlastung gewisse Erkenntnisse mitzuteilen.«
Wittpohl zeigte keinerlei Irritation. »Frau Kantau sollte ihren Brief also möglichst schnell schreiben.«
»Heute noch. Vor Redaktionsschluss.«
Wittpohl schaute Scaffo an. Der nickte.
Kaum hatte Terz das Grundstück verlassen, war er am Handy. Keine Nachrichten. Der erste Anruf galt Elena. Wieder nur die Mailbox.
»Bitte verlass Ramscheidts Büro, wenn du noch da bist«, sagte er. »Fahr aber nicht nach Hause.« Dort würde er bald hinmüssen, wenn sein Plan aufging. »Am besten machst du mit den Kindern einen Ausflug. Irgendwohin. Aber nicht zu Mutter.« Dann hämmerte er die nächste Nummer in die Tastatur.
Das Dienstmädchen hob ab. Terz verlangte Amelie Kantau. Er wartete eine Minute, bis er ihre Stimme hörte. Sie war trotz des Auftritts ihres Mannes am Vortag nicht ausgezogen. Nun, die Villa war groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen.
»Bleiben Sie die nächsten Stunden zu Hause. Ein paar Kriminalbeamte werden sie besuchen. Nicht, um Sie zu verhaften, keine Sorge. Sondern zu Ihrem Schutz.« Was eigentlich auch nicht gerade beruhigend klang. »Ach übrigens, kennen Sie Elisa Beyerl?«
»Beiert. Sie arbeitet für meinen Mann.«
»Mit großem Vergnügen, wie man hört.«
»Was soll das heißen?«
»Ich dachte nur, nach den gestrigen Differenzen mit Ihrem Gatten könnte Sie das interessieren.«
Fodls Golf hatte sich wieder ein paar Wagen hinter ihm eingereiht. Terz erreichte die Stadtgrenze von Blankenese und rief Maria Lund an.
»Schnapp dir Knut und ein paar andere. Amelie Kantau braucht sofort unauffälligen Personenschutz«, erklärte er.
»Sammi hat gesagt …«
»Vergiss Sammi. Sie war es nicht.« Er erzählte ihr alles. Was er in der vergangenen Nacht entdeckt hatte. Die Gespräche mit Söberg und Ramscheidt. Und schließlich der Termin bei Wittpohl.
Lund fluchte.
Terz unterbrach sie. »Aber ich glaube nicht, dass sie Amelie Kantau angreifen.«
»Wen dann?«
»Mich. Kantau ist in ihrer Flottbeker Villa. Ich bin gleich dort. Wenn ihr kommt, seht euch nach mir um. Sobald ihr drinnen seid, behaltet auch mich im Auge.«
Lund wollte zwischenfragen, aber Terz redete weiter. »Sollte ich wegmüssen, beschattet mich unauffällig. Wundert euch nicht über einen blassgrünen Golf. Fodl, der Journalist, begleitet mich auch dezent. Wenn ihr auf meinem Handy anruft, sprecht nur mit mir. Fragt vorher, ob ich reden kann. Greift erst ein, wenn es
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