Das Prinzip Uli Hoeneß
am ehesten in den Reihen der sportlich härtesten Widersacher. Wenn es dann einer nicht schaffte, die Qualität der Bayern zu verbessern und auf der Ersatzbank landete, war das Folge eines (teilweise durchaus beabsichtigten) Ausleseprozesses oder eben Zeichen einer Fehlentscheidung des Einkäufers – und nichts anderes. Uli Hoeneß wurde daher angesichts des in monotoner Regelmäßigkeit von Journalisten aufgefrischten Vorwurfs zunehmend ungehalten. »Totaler Quatsch, totaler Blödsinn«, beschied er einen Fragesteller, als dieser die alte Mär von der gezielten Schwächung der Konkurrenten am Beispiel der Leverkusener Ballack und Zé Roberto wieder einmal aufwärmte. »Ballack wäre damals nie in Leverkusen geblieben. Seine Planungen waren ganz klar: von Kaiserslautern nach Leverkusen, dann Bayern, Real oder wer auch immer, und nach der WM das ganz große Geld verdienen.« Und zum Fall Zé Roberto, für den die Bayern 9,5 Mio. Euro überwiesen hatten, meinte er: Leverkusen habe sich »mit den Gehältern verzockt« und daher den Großverdiener von sich aus »auf einem goldenen Tablett serviert«. Wenn die Bayern also gute Spieler von Konkurrenten kaufen, so Hoeneß, habe das mit einer Schwächung des abgebenden Klubs überhaupt nichts zu tun. »Wir wollen uns stärken.« Dass der betroffene Verein gleichzeitig schwächer wird, wäre demnach nicht mehr als ein automatischer und natürlich ohne sonderliche Skrupel akzeptierter Nebeneffekt.
Andererseits: Auf internationaler Ebene galt für Uli Hoeneß eine andere Sprachregelung. Es gehöre heute »zwingend zum Geschäft«, meinte er etwa im Sommer 2007 nach der Verpflichtung Ribérys, »dass man seinen internationalen Konkurrenten die Besten wegschnappt – und sie damit schwächt. Genau so, wie das Chelsea mit Ballack gemacht hat.« Aber soll man annehmen, dass Chelsea Ballack verpflichtet hat aus Angst vor den Bayern? Das ist wohl kaum vorstellbar. Vorstellbar – und belegt – ist allerdings, dass es dem Bayern-Manager bei einigen seiner Transfers tatsächlich nur darum ging, der Konkurrenz eins auszuwischen – und sei es nur deswegen, weil es ihm gerade Spaß machte, die Muskeln spielen zu lassen. Geradezu irrational verhielt er sich Anfang 2007 im Fall von Aachens Nationalspieler Jan Schlaudraff. »Ich war ja vor Kurzem in so einer Runde, beim DSF, mit so ein paar Freunden von Werder Bremen«, berichtete er über den Ablauf. »Einer, der immer so tut, als würde er bei Klaus Allofs im Ehebett schlafen, hat dabei gesagt: Ich weiß genau, dass der Schlaudraff zu Werder geht. Da habe ich mir gedacht: Das will ich jetzt einmal ganz genau wissen.« Hoeneß rief Aachens Sportdirektor Schmadtke an und erfuhr, dass der Handel mit den Bremern noch keineswegs in trockenen Tüchern war. Er habe dann sein offizielles Interesse angemeldet und schließlich »richtig Gas« gegeben. Am Ende durfte er sich diebisch freuen über den Coup – wenngleich der sportlich ein totaler Fehlgriff war (8 Bundesliga-Einsätze, 0 Tore) und er sich somit letztlich ins eigene Fleisch geschnitten hatte.
Der Friedhof der Stürmer
Jan Schlaudraff war ein unvernünftiger Einkauf, und insofern muss man sich nicht wundern, dass er sich als Fehleinkauf entpuppte. Er war nur einer von zahlreichen Missgriffen, die sich Uli Hoeneß im Lauf seiner Managerkarriere leistete. Die Liste seiner Transfertreffer ist lang, aber annähernd genauso lang ist auch die Liste der Fehleinkäufe. Die »Sport-Bild« analysierte 1991 die Einkäufe von Uli Hoeneß seit 1979 und kam bei 66 Spielern auf 29 »Flops« – und damit auf eine Versagens-Wahrscheinlichkeit von immerhin 44 Prozent. Bewertet waren dabei noch nicht einmal die damals aktuellen Neuanschaffungen wie Mazinho, Thomas Berthold und Oliver Kreuzer, die während der katastrophalen Saison 1991/92 alles andere als einen guten Eindruck hinterließen. Als die Bayern einem Abstiegsrang entgegentorkelten, rechnete die »Bild« dem Bayern-Manager seine Fehler vor: Er habe die Spieler jahrelang mit hochdotierten Verträgen verwöhnt; er habe die Transfers guter DDR-Fußballer versäumt und mittelmäßige oder charakterlich untaugliche Spieler (Kreuzer bzw. Berthold) zu überteuerten Preisen (5,5 bzw. 2,8 Mio. DM) eingekauft.
Die Reihe der beim FC Bayern Gescheiterten ist so lang, dass man sich fragt, wie ein Verein, der so oft daneben liegt, zugleich so erfolgreich sein kann. Vor allem unter Bayern-Hassern ist es ein beliebter Sport, immer wieder neue
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