Das Prinzip Uli Hoeneß
noch Spieler aus der Bundesliga, deren Leistungs- und Integrationsfähigkeit sie beurteilen konnten. »Südamerikaner, die direkt aus Brasilien oder Argentinien kommen, benötigen zwei bis drei Jahre, um sich in Deutschland zu etablieren«, begründete er. »Diese Eingewöhnungszeit überlassen wir gerne anderen. Und wenn der Spieler dann ›fertig‹ ist, holen wir ihn.« Damit hatte man Erfolg, wie das Beispiel des 1997 verpflichteten Brasilianers Giovane Elber zeigte. »Elber ist doch im eigentlichen Sinne kein Ausländer mehr. Er spricht Deutsch, kennt durch seine Zeit beim VfB Stuttgart die Bundesliga genau. Früher haben wir in der Tat die Kultur- und Sprachprobleme unterschätzt, wenn wir Spieler direkt aus dem südamerikanischen Raum verpflichtet haben. Dieses Risiko würden wir nur noch für einen Wahnsinns-Spieler eingehen.« Einen solchen Superkicker konnte er jedoch nie entdecken, und so minimierte er das Risiko, indem er aus Übersee nur noch junge Talente verpflichtete.
Fehlgriffe, Missverständisse und Unglücksfälle
Die Liste der gescheiterten Stürmer ließe sich noch um einige Namen verlängern, etwa durch die beiden Iraner Ali Daei (23 Spiele / 6 Tore) und Vahid Hashemian (9 Spiele / 0 Tore) oder den zumeist auf der Bank schmorenden Zehn-Millionen-Einkauf Lukas Podolski (71 Spiele / 15 Tore). Weniger gut in Erinnerung – weil weniger beobachtet und nicht in Fehlschüssen zu messen – sind die Fehlgriffe, die sich Hoeneß bei Abwehr- und Mittelfeldspielern leistete. Viele von denen, die zunächst als große Talente oder gar als supertolle »Kracher« angepriesen wurden, sind heute nicht einmal mehr ausgewiesenen Experten namentlich bekannt. Ein kleines Quiz: Wer war Raymond Victoria? Antwort: Ein Mittelfeldspieler, kam 1991 von Feyenoord Rotterdam und blieb ein total leeres Blatt: null Spiele, null Tore. Wann wurde Nils-Eric Johansson mit den Bayern Deutscher Meister? Antwort: 1998, mit zwei mageren Kurzeinsätzen in der Bundesliga. Wer ist der unbekannteste Torschütze des FC Bayern? Antwort: Slawomir Wojciechowski. Der polnische Mittelfeldspieler kam 1999 aus der Schweiz vom FC Aarau, machte drei Kurzeinsätze in der Bundesliga und traf dabei sogar einmal gegen den SSV Ulm.
Viele, die sich bereits einen Namen gemacht hatten – so etwa die Mittelfeldspieler Niko Kovac oder Pablo Thiam –, starteten mit Vorschusslorbeeren, die sie dann in München nie rechtfertigen konnten. Und einer erreichte im Versagen geradezu Kultstatus: Thomas Berthold. Der 1991 aus Italien in die Bundesliga zurückgeholte Abwehrstar wurde nach einigen verbalen Scharmützeln mit Trainer Ribbeck aus dem Kader geworfen, um daraufhin noch ein Jahr lang ziemlich viel Geld für das Aussitzen seines Vertrages zu kassieren und als »bestbezahlter deutscher Golfprofi nach Bernhard Langer« (Schatzmeister Kurt Hegerich) in die Bayern-Geschichte einzugehen: Hegerich hatte ausgerechnet, dass der Bankdrücker bei den Bayern täglich 2.166 DM kassierte.
Neben den aus Unvermögen oder Unwillen Gescheiterten gab es etliche Spieler, deren Versagen eher darauf zurückzuführen war, dass sie einfach nicht nach München passten oder sich dort unwohl fühlten. Ein solches Missverständnis war etwa der aus Bremen gekommene Andreas Herzog. Als »Alpen-Maradona« war der Österreicher avisiert, in Erinnerung geblieben ist er als eine immer etwas schläfrig wirkende Primadonna, die selbst ein heftig zupackender Oliver Kahn nicht wachzurütteln vermochte. Nicht viel besser verlief der einjährige München-Aufenthalt von Torsten Frings, der 2004 als Stammspieler der Nationalmannschaft angeheuert hatte. Von seinem Können war im Bayern-Trikot kaum etwas zu sehen, sein Glück fand er, wie zuvor Herzog, erst wieder bei seinem Stammverein Werder im beschaulichen Bremen. Gleich ein doppeltes Missverständnis leistete sich Hoeneß im Fall von Ciriaco Sforza. Der Schweizer kam 1995 für eine Ablöse von 4 Mio. Euro vom 1. FC Kaiserslautern und wurde nach wenig überzeugenden Leistungen für 3,1 Mio. zu Inter Mailand abgeschoben. Im Jahr 2000 war der zwischenzeitlich wieder unter dem ehemaligen Bayern-Trainer Rehhagel in Kaiserslautern kickende Mittelfeld-Regisseur für Hoeneß erneut interessant und diesmal sogar mehr als 5 Mio. Euro wert; seine Leistungen aber blieben durchwachsen, nach zwei Spielzeiten durfte er ablösefrei zum FCK zurückkehren.
Natürlich müsste jeder der hier in die Kategorie »Fehleinkauf« oder »gescheitert«
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