Das Prinzip Uli Hoeneß
Listen mit den größten Versagern in den Reihen des deutschen Rekordmeisters zu erstellen. Und in der Regel wurden sie dem Fehlerkonto von Hoeneß zugerechnet. Auch als Rummenigge und Beckenbauer sich ab 1992 kräftig in die Transferpolitik einmischten, war es immer noch Hoeneß, der sich rechtfertigen musste. Er kriege bald »für jeden Transfer Keile«, beschwerte er sich. »Als wenn ich die mir persönlich kaufe und daheim im Garten spielen ließe. Ich mache nur, was wir im Präsidium und mit dem Trainer beschließen. Aber immer heißt’s: Der Hoeneß kauft diesen, jenen, alle.« Seit 2002, als Beckenbauer mit der Umwandlung des FC Bayern in eine AG aus dem operativen Geschäft ausschied, ging die Verantwortung im Transfergeschäft auf das Führungstriumvirat Hoeneß-Rummenigge-Hopfner über. Vor jedem Beschluss jedoch habe, so Hoeneß, der Trainer das letzte Wort. »Einen Spieler, den der Trainer ablehnte, haben wir nie geholt.« Fakt ist aber ebenso: Die Vorstände verpflichteten einen vom Trainer vorgeschlagenen Spieler nur, wenn sie das für richtig hielten. Einen Spieler, den Hoeneß nicht (auch) wollte, haben die Bayern noch nie geholt. Als »Mister Bayern« hatte Hoeneß nie eine Chance, sich vor den Folgen der fehlerhaften Bayern-Transferpolitik zu drücken – er wurde immer auch für den »Mist« der Bayern zur Verantwortung gezogen.
Natürlich muss man Uli Hoeneß zugestehen, dass Fehlgriffe immer mal wieder passieren. Alle Manager langen mal daneben. Allerdings scheint der Vorwurf, das Handeln der Bayern auf dem Transfermarkt sei – zumal in den turbulenten neunziger Jahren – recht fantasielos gewesen, nicht ganz unberechtigt. Manchmal konnte man durchaus den Eindruck haben, die Bayern wollten den Konkurrenten die Ladenhüter absichtlich wegkaufen, damit die Liga noch spannend bleibt. Die Bayern wurden unter Hoeneß zum reichsten Verein in Deutschland, betrieben aber eine zum Teil derart haarsträubende Transferpolitik, dass die Konkurrenz weiterhin eine Chance hatte. Vor allem die vom FC Bayern verpflichteten Stürmer taten trotz aller Erfolge häufig nicht das in ausreichendem Maß, wozu sie geholt wurden: eben Tore schießen. Wie viele Millionen auch immer Uli Hoeneß auslobte – (viel zu) häufig hatte er sich ein faules Ei eingehandelt. Die Bayern gewannen zwar in der Regel trotzdem, aber die Konkurrenz durfte über den »Friedhof für Stürmer« witzeln, den Uli Hoeneß an der Säbener Straße anlege, um dort all die »Chancentöter« zu begraben, die er nach München gelockt hatte.
Der Prototyp des Fehleinkaufs und Edelreservisten war der 1980 für die damalige Rekordablöse von knapp 1,3 Mio DM von Mönchengladbach nach München gewechselte Kalle del’Haye. Er wurde zum Paradebeleg für die These, dass Hoeneß anderen Vereinen für Millionen Spieler wegkaufe, nur damit diese dann vom Trainer auf die Bank gesetzt werden. In fünf Jahren bei den Bayern kam der überschätzte und für das System der Bayern untaugliche Flügelflitzer auf lediglich 74 Spiele und 7 Tore. Marcus Wiebusch setzte ihm mit dem Lied »Erinnert sich jemand an Kalle del’Haye« ein Denkmal: »Denn manchmal, da geht es statt rauf auch nieder, / Und dann findest du dich auf der Ersatzbank wieder. / Und dann auf der Tribüne, von allen vergessen, / Frag Kalle del’Haye, der müsste es wissen.« Leicht kurios klang es, als Hoeneß sich für die Anschaffung mit den Worten rechtfertigte, dass »eine gute Ersatzbank auch wichtig« sei. Zudem sei es ihm lieber, einen wertvollen Spieler auf der Ersatzbank gebunkert zu haben, statt ihn nach einem Verkauf »als Gewinn versteuern« zu müssen.
Der Däne Lars Lunde, der 1986 vom Schweizer Verein Young Boys Bern nach München kam, war von Hoeneß als »Weltklassestürmer« avisiert worden. »Er muss nur ab und zu ein paar zwischen die Hörner kriegen«, lautete sein Rezept, als von der angeblichen Weltklasse auf dem Platz kaum etwas zu sehen war. Lunde blieb schließlich mehr durch seine große Lippe als durch seine Treffsicherheit in Erinnerung – drei Tore in 30 Spielen. Weltklasse wurde auch bei dem vom FC Barcelona ausgeliehenen walisischen Nationalstürmer Mark Hughes vermutet. Magere sechs Torerfolge in der Saison 1987/88 stehen für ihn zu Buche sowie ein Spezialeinsatz, den Hoeneß als »größten Coup« seiner Managerkarriere bezeichnete: Zum Pokalspiel gegen Gladbach wurde er, von einem Länderspiel kommend, eigens per Learjet eingeflogen, um den Gegner zu
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