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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Bausenwein
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»Kaiser« und geißelte die mangelhafte Einstellung der Spieler, die sich am besten gleich einen »anderen Beruf« suchen sollten. »Man kann das noch korrigieren. Aber dann müsst ihr morgen anfangen. An die Leistungsgrenze gehen, den inneren Schweinehund überwinden.« Der irritierte Hoeneß war überhaupt nicht einverstanden mit dem öffentlich vorgetragenen Schmäh des Bayern-Präsidenten und verließ das Bankett frühzeitig. Seine Meinung war: »Heikle Dinge bespreche ich mit den Spielern unter vier Augen, sonst würde der Trainer geschwächt.« Weiterreichende negative Folgen hatte Beckenbauers Rundumschlag nicht – im Gegenteil, es war ein Wendepunkt. Danach verlor der FC Bayern kein Spiel mehr und durfte sich zwei Monate später als Sieger der Champions League feiern lassen. Der erste und einzige Triumph in der Königsklasse des Fußballs während der gesamten Ära Hoeneß stand also letztlich irgendwie unter dem glänzenden Zepter des Kaisers. Mit seiner spontanen Ansprache hatte er eher zufällig jene Druckwirkung erzeugt, die Hoeneß all die Jahre mit zahllosen Maßnahmen vergeblich hatte erzielen wollen. Nach dem Finalsieg im Elfmeterschießen gegen den FC Valencia witzelte Kapitän Effenberg: »Für eine Altherrenmannschaft war das doch gar nicht so schlecht.«
    Aspekte der gezielten Einzelkritik
    Der Präsident und der Manager unterschieden sich in Tonlage und Ausdruck, wenn sie gegen die Mannschaft wetterten. Während Hoeneß meist nur wütend war, mimte Beckenbauer zugleich auch noch den Beleidigten und Enttäuschten. Unterschiede zeigten sich auch im Stil der Einzelkritik. Während der »Kaiser« oftmals mit der herablassenden Arroganz des Hochbegabten über die fußballerischen Mängel der Minderbemittelten lästerte – Mark van Bommel, meinte er beispielsweise, sei vielleicht »ein ganz wichtiger Spieler, aber ein Handwerker« –, wollte Uli Hoeneß fußballerische Qualitäten, die nicht so ohne Weiteres erkennbar waren, lieber herbeireden. In der Verurteilung von Begabungsschwächen erkannte er keinen Sinn, da man von einem überschaubar Talentierten ja nicht verlangen kann, plötzlich zum Genie zu werden. Hoeneß hielt sich mit Kritik zurück, wenn das Maß der Bemühung stimmte, und versuchte lieber, über die Taktik des Starkredens eine Leistungssteigerung zu bewirken. So machte er es etwa bei Robert Kovac, den er zu einem der besten Innenverteidiger in Europa erkor – was zu seinem Kummer leider nicht jeder Gegner glaubte. In anderen Fällen, etwa bei dem hochbegabten Michael Ballack, variierte er zwischen Tadel und Lob. Nachdem er den Neu-Bayern eine Zeitlang immer wieder bekrittelt hatte, kam er schließlich zu der Einsicht, dass das restliche noch nicht geweckte Potenzial des Spielers nur durch Lob herauszukitzeln wäre. Einen Spitzenprofi wie Ballack musste er freilich durch die Bescheinigung einer »tollen Entwicklung« kaum starkreden, denn dessen Einstellung ließ eigentlich nie die nötige Professionalität vermissen.
    Äußerst streng wurde Hoeneß aber immer dann, wenn ein Begabter sein Talent partout nicht umsetzen wollte. Wiederholt brachte ihn etwa der potenzielle Klassespieler Ciriaco Sforza in Rage, als der in München vorwiegend als Stinkstiefel und Stehgeiger auffiel; und er tobte wie ein Berserker, als eben dieser Sforza, nun in Diensten des 1. FC Kaiserslautern, beim 2:0-Sieg seines neuen Klubs über seinen Ex-Verein mit einer bei Letzterem nie gesehenen Vehemenz in die Zweikämpfe ging.
    Bei Sforza hatte alle Kritik nichts genützt, um ihn zu einem Leistungsträger für die Bayern zu formen. Anders lief es bei Zé Roberto, dem Hoeneß anfangs immer vorhielt, im Verhältnis zu seinem Können auf dem Platz viel zu wenig abzuliefern. Nach einigen Monaten war der sensible Brasilianer dann tatsächlich zu einem Leistungsträger geworden, ohne den man sich das Bayern-Spiel kaum mehr vorstellen konnte. Gerade mit den Südamerikanern musste sich Hoeneß meist besonders intensiv beschäftigen, da diese den Fußball zu seinem Jammer stets vor allem als Spiel und nicht als Arbeit begriffen. »Der ist ja schon beleidigt, wenn ich sage: ›Mucho más trabajo‹, du musst viel mehr arbeiten«, mokierte er sich etwa über das lateinamerikanische Trainingsphlegma des Peruaners Claudio Pizarro. Und über den Paraguayer Roque Santa Cruz wunderte er sich: »Er lacht jeden Tag, ist Everybody’s Darling und hat die darin bestehende Gefahr noch gar nicht erkannt.« Die Gefahr

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