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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Bausenwein
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dann, wenn unmotivierte Spieler selbst nach blamablen Niederlagen mühelos zur Tagesordnung übergingen. Berühmt geworden ist sein Tobsuchtsanfall nach einer 1:2-Niederlage im Februar 2002 beim Absteiger FC St. Pauli: »Die Spieler begreifen nicht, dass Fußball aus totaler Arbeit besteht – sieben Tage die Woche. 30 Minuten nach Spielschluss werden schon wieder Karten gespielt und Sprüche geklopft. Die Spieler essen Scampi, und ich habe eine schlaflose Nacht. Jeder sieht, dass wir einen Dreck spielen. Wir versuchen uns seit neun Spielen über die Zeit zu retten. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, den Finger in die Wunde zu legen. Die erste Halbzeit in St. Pauli war der Tiefpunkt. Wir sind vom Letzten vorgeführt worden.« Hoeneß’ Scampi-Wutrede war der wohl prägnanteste Ausdruck seiner unentwegten Klage über das mangelnde Verständnis moderner Profis für ihre Pflichten gegenüber dem Publikum. Aber was sollte man tun? Man könne die Spieler ja nicht alle rausschmeißen, überlegte er. Außerdem musste er gegenüber der Presse zugeben, dass die Spieler im Bayern-Bus statt Scampi lieber Schinken-Käse-Toast aßen. Von Scampi habe er nur gesprochen, um das Luxusbedürfnis der Spieler bloßzustellen. »Ich wollte auf keinen Fall Kaviar sagen, das wäre noch schlimmer gewesen«, grummelte er. Schlimm genug sei’s auch so schon gewesen, gab er zu und zeigte sich einsichtig, dass er zu weit gegangen war, und ein wenig schämte er sich sogar. »Ich habe das Vertrauen der Mannschaft beschädigt und es später als Verrat empfunden. Dafür habe ich mich bei den Spielern entschuldigt.«
    Die Scampi-Wutrede war wohl auch ein wenig Ausdruck der Hilflosigkeit. Die Spieler, bekannte Hoeneß, seien gegen Kritik fast schon immun geworden. Es gebe nur eines, was sie wirklich treffe: »Wenn sie zur Tankstelle oder zum Bäcker kommen, die Zeitung aufschlagen und dort als die Allerletzten hingestellt werden. Das stinkt ihnen. Deshalb ist das, was die Zeitungen machen, das bessere Mittel, als die Spieler hier furchtbar an den Pranger zu stellen.« Nun, im Falle St. Pauli reichte diese Angst offensichtlich nicht aus. Und auch der aus einem besonders wichtigen Wettbewerb wie der Champions League erzeugte Druck genügte manchmal nicht, wie sich zwei Jahre später nach einer 1:2-Heimpleite gegen Olympique Lyon zeigte. Hoeneß bot der Mannschaft einen »Deal« an: Er schütze sie mit seinem breiten Kreuz gegen Kritik, und im Gegenzug habe sie sich in der Champions League den Hintern aufzureißen. Es folgte aber lediglich ein uninspiriertes 1:0 gegen den RSC Anderlecht und anschließend das Aus im Achtelfinale gegen Real Madrid.
    Weitere zwei Jahre später setzte Hoeneß nach einem erneuten Scheitern im Achtelfinale der Champions League wieder auf die »Angst vor den Vorgesetzten« als probates Mittel, um den Spielern auf die Sprünge zu helfen. Wer nicht mitzieht, erläuterte er sein Prinzip der Angsterzeugung, wird in der Regel nach einer Ermahnung »auf Bewährung« gestellt. Teil seiner sozialen Verantwortung sei es, dass er die entsprechenden Spieler nicht nur einmal warne, »sondern zehnmal. Wenn dann immer noch nichts kommt, dann trennen wir uns. Ganz unsentimental.« Nachdem er am 30. Spieltag der Saison 2006/07, als die Bayern beim späteren Meister VfB Stuttgart mit 0:2 verloren, eine seiner schlimmsten Enttäuschungen erlebt hatte, zeigte sich Uli Hoeneß ganz besonders unsentimental. »Mit einem Sieg hätten wir noch Meister werden können, zumindest hätten wir die Chance gewahrt, in der Champions League mitzuspielen«, fasste er die Situation zusammen, um dann zu toben: »Und was sehe ich auf dem Rasen? Teilweise lustlose, offenbar satte, jedenfalls nicht bedingungslos fightende Spieler, obwohl ich vor dem Spiel eine Siegprämie in Aussicht gestellt hatte wie noch niemals zuvor. Da habe ich mir geschworen, dass für diejenigen, die unseren Einsatz nicht durch totales Engagement zurückgeben, in diesem Verein kein Platz mehr ist.« Das waren keine leeren Sprüche. Der Polterer machte seine Drohung tatsächlich wahr: Sieben der dreizehn Stuttgart-Versager mussten zum Ende der Saison den FC Bayern verlassen.
    Uli Hoeneß konnte sehr konsequent sein. Mit Wutansprachen erfolgreicher war aber zuweilen Franz Beckenbauer. Die berühmteste und folgenreichste hielt er nach der 0:3-Pleite der Bayern in Lyon am 7. März 2001. »Das ist nicht Fußball, das ist Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft, Altherrenfußball«, tobte der

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