Das Prinzip Uli Hoeneß
eines reinen Fußballstadions im Norden der Stadt, in Fröttmaning. Die Stimmung im Olympiastadion hatte Hoeneß einmal mit dem auf dem »Zentralfriedhof von Chicago« verglichen. Hätte man ein Stadion wie in Dortmund gehabt, meinte er während der wenig erfolgreichen Saison 2001/02, »hätten wir zumindest alle unsere Heimspiele gewonnen«. Nun also würde man endlich mit der Konkurrenz gleichziehen und eine Gänsehaut-Atmosphäre bieten können à la Bernabéu-Stadion in Madrid, Camp Nou in Barcelona oder Old Trafford in Manchester. Und es sollte zugleich ein Tempel der Bequemlichkeit werden, der die gewandelten Bedürfnisse der Kundschaft befriedigen würde. »Der Bürger will nicht mehr bei Wind und Wetter ins Stadion gehen, er ist nicht mehr bereit, nur eine Bratwurst zu kaufen oder ein Bier. Der Bürger will heute seine Kinder im Stadion abgeben, er will seine Freundin mitnehmen, und die kommt nur mit, wenn sie nicht friert und nass wird. Die Gesellschaft ist bequemer geworden – dem müssen wir auch als Fußballverein Rechnung tragen.«
Wie schon Anfang der siebziger Jahre, als die Olympischen Spiele dem FC Bayern das Olympiastadion bescherten, war es auch dieses Mal mit der WM 2006 ein internationales Sportereignis, das die Problemlösung beförderte, indem umfangreiche Steuergelder für die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen locker gemacht wurden. Für den Bau und Betrieb des Stadions wurde eine Betreibergesellschaft gegründet, an der zunächst auch der Lokalrivale 1860 beteiligt war. Mit den »Löwen«, war Hoeneß überzeugt, habe man die Chance, das Stadion auf Dauer profitabel zu betreiben. Um Gelder für den auf 350 Mio. Euro veranschlagten Neubau zu akquirieren, mussten alle Kräfte gesammelt werden. Die Infrastruktur übernahmen der Bund, der Freistaat und die Stadt. Zur Finanzierung der Arena selbst erhielt die Stadion GmbH vom FC Bayern ein Darlehen von 150 Mio. Euro. Obwohl er alle Vermarktungsmöglichkeiten ausschöpfte – unter anderem vermittelte er die Namensrechte an der neuen Heimat des FC Bayern für 15 Jahre an die Allianz AG, die dafür pro Jahr 6 Mio. Euro zu zahlen bereit war – musste Uli Hoeneß erstmals seit Jahren die Kreditabteilungen der Banken aufsuchen. Aber selbst dieses Opfer, das er nur voller Widerwillen erbrachte, war ihm das Stadion der Träume wert.
Als die Allianz Arena am 31. Mai 2005 eröffnet wurde, zeigte sie sich von außen als ein architektonisches Meisterstück mit rautenförmiger, glatter Fassade, die in leuchtendem Bayern-Rot erstrahlte (allerdings auch wahlweise auf ein »Löwen«-Blau umgestellt werden konnte). Innen war sie konzipiert als ein reines Fußballstadion ohne störende Aschenbahn, mit drei Rängen und 60.000 Plätzen, alle komplett überdacht, alle mit gutem Blick aufs Spielfeld, reichlich VIP-Logen und Businessseats, deren gutsituierte Benutzer der Einnahmequelle »Ticketing« wieder eine erhöhte Bedeutung geben sollten. Rundherum wurde die Allianz Arena so konzipiert, dass die Zuschauer reichlich Anlass haben, länger im Stadion zu verweilen. Zum Bleiben verführen sollten unter anderem ein FC-Bayern-Megastore, die »Hall of Fame«, Markenwelten von Audi, der Deutschen Telekom, Medion und anderen sowie ein Kinder-Funland von Lego. Dazu sollten Kioske und Restaurants mit einem überraschend vielfältigen Angebot zum Konsum locken. Tatsächlich konnte sich das Traumstadion des passionierten Fleischessers Uli Hoeneß bereits im Eröffnungsjahr den Titel des »vegetarierfreundlichsten« Stadions anheften; die Tierrechtsschutz-Organisation »Peta« hatte bei einer Recherche vor Ort mit elf fleischlosen Gerichten – vom ausgezogenen Krapfen bis zur vegetarischen Pizza – eine deutsche Stadion-Rekordzahl registriert. Alle waren zufrieden mit dem neuen Stadion – bis auf einige Fans, die sich an der durch die Drei-Etagen-Konstruktion mitverursachten schlechten Akustik störten sowie an der geringen Anzahl reiner Stehplätze.
Nationale und internationale Promotion
Moderner Fußball, mit dieser Meinung stand Hoeneß nicht allein, benötigt moderne Stadien. Wie aber eine moderne Mannschaft aussehen sollte, vor allem nach Marketinggesichtspunkten, das war weitaus weniger klar. In den neunziger Jahren vertrat Hoeneß dezidiert die Auffassung, dass eine Spitzenmannschaft unbedingt aus internationalen Topstars zusammengesetzt sein müsse, und daher sollten möglichst viele von denen nach Deutschland kommen. In der globalen Welt, so seine
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