Das Prinzip Uli Hoeneß
nicht alles erlauben, »auch wenn er meint, er ist der liebe Gott«. Der »liebe Gott« kochte den Streit im Interesse der Sache – also des FC Bayern – erst einmal herunter und erklärte, er habe seinen Starspieler lediglich »reizen« wollen, damit er besser spiele. Trainer »Sir« Erich Ribbeck, ein Mann mit Contenance, kommentierte gelassen, der Streit gehe ihn nichts an, außerdem habe Hoeneß durchaus das Recht zur Kritik. Und wenn die Leistung nicht stimme, dann kriege ein Lothar Matthäus halt mehr Druck.
Diese Wortgefechte zwischen Manager und Starspieler waren freilich nur ein müder Auftakt im Vergleich zu dem, was ab der Saison 1995/96 folgen sollte. In dem blonden Weltenbummler Jürgen Klinsmann schwebte eine zweite Diva mit hohem Unterhaltungsfaktor in München ein. Die ARD ließ der Tagesschau einen zwanzigminütigen Brennpunkt folgen, um damit dem soeben zu Englands »Fußballer des Jahres« gewählten Ex-Stürmer der Tottenham Hotspurs, der mit seinen Toren und seinem gewinnenden Lächeln mehr für die deutsch-englische Verständigung bewirkt hatte als eine Generation von Politikern, ein angemessenes »Willkommen« zu bereiten. Groß war auch das Getrommel für das neu verpflichtete Trainer-Urgestein aus dem Norden, Otto Rehhagel. Beim erstem Saisonspiel in Hamburg hatte der Otto-Versand die gesamte Trainerbank gekauft und davor sowie in der Spielfeldmitte einen Teppich ausgelegt mit dem Slogan: »Otto find’ ich gut«. Otto fand sich auch selbst ganz gut und auf Augenhöhe mit dem Führungstriumvirat des FC Bayern: »Bisher gehörten drei zur Elefantenrunde, jetzt kommt ein großer Elefant hinzu.«
Hoeneß ahnte recht frühzeitig, dass dieser Elefant, der auf dem Trainingsplatz durch ein Megaphon trötete, vielleicht doch nicht der richtige Mann war, im Fußballzoo an der Säbener Straße die Medien-Raubtiere zu bändigen. Rehhagel sollte aus großen Stars wie Klinsmann und Matthäus und kleinen Starlets wie Sforza und Herzog ein »Dream-Team« mit grandiosem Begeisterungspotenzial formen. »Es geht darum, eine gute Ware gut verpackt an den Mann zu bringen«, lautete Hoeneß’ Auftrag, aber der stets etwas altbacken wirkende Rehhagel, der die allwissende Arroganz eines Fußballweisen kultivierte, passte in dieses Anforderungsprofil eigentlich überhaupt nicht hinein. Im aufgeregten Geschnatter der sich kapriziös spreizenden angeblichen Großfußballer gingen angestaubte Sprüche wie der, dass die Mannschaft der größte Star sei, ungehört unter, und so kam der Mann aus der Sepp-Herberger-Welt in Presse und Fernsehen eher lächerlich denn kompetent rüber. In dem immer heftiger tobenden Münchner Mediengewitter wurde dem überforderten Trainer immer schwindliger, und irgendwann drehte er sich hilf- und orientierungslos wie ein Brummkreisel im Trubel der Ereignisse.
Die Saison war erst wenige Wochen alt, da begann es Uli Hoeneß bereits mulmig zu werden. Die allenthalben keimenden Allüren und Eifersüchteleien hatten bereits viel zu viele Schlagzeilen produziert, noch die allerkleinste Unstimmigkeit im Mannschaftskreis hatte umgehend den Weg in die Öffentlichkeit gefunden. »Wir müssen Distanz zur Abteilung Hollywood herstellen«, grummelte er. Es könne nicht sein, dass er tagtäglich in der Zeitung vom Geweine der Spieler lesen müsse, die nicht zum Einsatz kommen. »Es muss noch eine Sphäre geben, die nicht an die Öffentlichkeit dringt«, entschied er. »Dazu gehören auch Kabine oder Spielerbesprechungen.« Die Schlagzeilen-Produktion versiegte indes trotzdem nie. Angefeuert wurde sie natürlich insbesondere von dem im Zustand des Grolls noch mehr als gewöhnlich zum Rede-Attentat neigenden Lothar Matthäus, der sich seit 1994 im unfreiwilligen Nationalmannschafts-Ruhestand befand und vergeblich ein Comeback zur anstehenden Europameisterschaft anstrebte. Während die Auserwählten des Bundestrainers Berti Vogts in England den EM-Titel holten, rumorte in Matthäus der Zorn über seine Ausbootung, für die er seinen Gegenspieler Klinsmann verantwortlich machte. Der Erfolg des treffsicheren Schwaben, der im UEFA-Cup 1995/96 mit 15 Treffern in zwölf Spielen einen sagenhaften Rekord aufgestellt hatte, nervte ihn; und so schloss er voller Gehässigkeit mit Uli Hoeneß eine Wette um 10.000 DM ab, Klinsmann werde in den 34 Spielen der anstehenden Bundesliga-Spielzeit unter dem neuen Trainer Trapattoni keine 15 Tore schießen. Der Bayern-Manager ahnte da wohl schon das dräuende Unwetter
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