Das Prinzip Uli Hoeneß
beichtete, dass er den Namen Matthäus am liebsten komplett aus seinem Gedächtnis streichen wolle. Und als sich der Rekordnationalspieler im Jahr 2004 selbst als Trainer der DFB-Elf ins Gespräch gebracht hatte, lästerte er: »Wenn Matthäus Bundestrainer geworden wäre, das wäre, wie wenn der Chefspion des KGB Bundeskanzler geworden wäre.« Trotzdem zeigte sich der Bayern-Manager selbst im Fall Matthäus am Ende doch noch versöhnlich. Am 31. Juli 2009 trafen sich die beiden Streithähne beim »Audi Star Talk« des DSF erstmals seit 2002 gemeinsam in einem TV-Studio. »Der Ausspruch tut mir heute wirklich leid«, meinte Hoeneß, als er auf den legendär gewordenen Greenkeeper-Satz angesprochen wurde. »Das war überzogen, teilweise unberechtigt.« Auch Matthäus ging auf Schmusekurs. Seine Klage, die damals vor dem Münchner Landgericht mit einem Vergleich geendet hatte – Matthäus hatte bescheidene 7.500 Euro erhalten –, sei ein Fehler gewesen; leider sei er damals »falsch beraten« worden. Nun, im Jahr 2009, riet ein gutwilliger Uli Hoeneß seinem Ex-Kontrahenten zu mehr Selbstbeherrschung vor den Mikrofonen.
Gezähmte Affen im Käfig
Eine wirksame Kontrolle über die Medien erreichte Uli Hoeneß nie. Auch nach den Tagen des Matthäus-Klinsmann-Rosenkriegs musste er sich in seinem Ringen gegen die Auswüchse des Veröffentlichungswahns fühlen wie ein Don Quichotte im Kampf gegen Windmühlen. Der Rummel hielt an, sei es in Form kreischender Mädchen auf dem Trainingsgelände an der Säbener Straße, sei es in Form halbnackter Spieler in der »Bravo Sport« oder sei es in Form eines von der Öffentlichkeit rege begleiteten mannschaftsinternen Frauentauschs. Das Sich-verkaufen um jeden Preis blieb eine nicht auszurottende Zeiterscheinung, genauso wie die Privatgeschichten eine Begleiterscheinung des Fußballs. Die Spieler seien wie »Affen im Käfig«, hatte der Bayern-Spieler Thomas Strunz einmal die Situation beschrieben. Immerhin hat es Hoeneß den Vertretern der Medien mit einer neuen Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit schwerer gemacht, den Affen Zucker zu geben: Heute muss jeder Journalistenkontakt über die Pressestelle laufen, die Weitergabe von Handynummern ist verboten, auf dem Vereinsgelände gibt es streng bewachte Tabuzonen, eine Tiefgarage verhindert, dass die Spieler auf dem Parkplatz abgefangen werden können, außerhalb der Spieltage gibt es Fernsehinterviews von Spielern nur noch auf dem Vereinsgelände, und gesendet werden darf nur, was die Medien-Prüfstelle des FC Bayern abgesegnet hat.
Die Restriktionen für die Medien fanden indes eine natürliche Grenze im Vermarktungsinteresse des Vereins, der ja weiterhin auf permanente PR angewiesen blieb. Und vor allem: Den zentralen Unruheherd beim FC Bayern konnte Hoeneß nie ausschalten – nämlich sich selbst. Dass er als mediale Hauptfigur seine emotionalen Auftritte nicht einstellen konnte und durfte, lag im widersprüchlichen Prinzip des Geschäfts selbst: Nur das, was öffentliches Interesse weckt und bindet, lässt sich auch verkaufen. Sehr schön wurde Hoeneß’ Zwiespältigkeit am Beispiel des Beckham-Transfers deutlich. Als im Sommer 2003 der Wechsel des Fußball-Popstars zu Real Madrid bekannt geworden war, brandmarkte er die Sache als »Affentheater« und schimpfte, dass Real kein Fußballklub mehr sei, sondern ein »Zirkus«. Einen wie David Beckham, stöhnte er, würde er nie haben wollen, denn das habe den Rückfall in die alten Zeiten des »FC Hollywood« zu Folge. »Wenn ich nur daran denke, dass seine Frau, dieses Spice Girl, auch mitkäme!«, gruselte er sich. »Das wäre schön für die Medien, aber nicht für uns. Das Theater brauche ich nicht.« Nein, die Bayern würden nur noch sportlich denken, betonte er einmal mehr: »Es nützt dir nichts, einen zu holen, der bei ›Bravo Sport‹ auf Seite eins steht. Wir wollen einen haben, der beim ›Kicker‹ auf Seite eins steht.« Dann aber, nur ein halbes Jahr später, vollzog er eine radikale Kehrtwende. »Seine Verpflichtung war ein genialer Schachzug von Real«, war er nun überzeugt und verkündete lauthals seine neueste Erkenntnis: Beckham war tatsächlich refinanzierbar! »Durch die Figur Beckham und seine Frau läuft das ganze Ding«, begeisterte sich Hoeneß. »Ich weiß von Adidas, wie viel Trikots sie verkaufen – und außerdem spielt er noch gut.« 37,5 Mio. Euro refinanziert – das konnte ihn nicht kalt lassen. Das war nur deswegen möglich, weil
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