Das Prinzip Uli Hoeneß
künftig einzuschränken, müsse man die von den Medien pausenlos zu kritischen Aussagen provozierten Spieler vor unbedachten Äußerungen schützen. Je mehr Interviews man gibt, desto mehr Fehler macht man, lautete die Erkenntnis des PR-Profis Hoeneß. »Das geht auch mir so«, fügte er in einem Anflug von Selbstkritik hinzu, »und Beckenbauer und Rummenigge.« Die Konsequenz hätte eigentlich ein Schweigegelübde des Führungstriumvirats sein müssen, es blieb dann aber bei einer Beschränkung des überquellenden Spieler-Redeflusses. »Wir müssen uns rarer machen. Dadurch, dass wir wie im Moment den Star total gläsern machen, wird es auf die Dauer langweilig für das Publikum. Es weiß alles. Wir müssen wieder ein Mysterium um den Star bauen.«
Mit dem Mysterium war es freilich erst mal nichts, zumal sich Klinsmann das Olympiastadion als Bühne für den besten Beitrag zur Bayern-Show 1996/97 aussuchte. Als der für Trainer nie pflegeleichte Profi am 10. Mai 1997 beim Spiel gegen den damaligen Tabellenletzten SC Freiburg (0:0) nach 80 Minuten für den Vertragsamateur Lakies ausgewechselt wurde, drehte er durch. Er beschimpfte Trainer Giovanni Trapattoni in dessen Landessprache lauthals mit »vai a cagare« (geh kacken) und trat wutentbrannt auf eine Werbetonne der Firma Sanyo ein. Klinsmann schoss im letzten Saisonspiel noch sein Tor Nummer 15 – wodurch Lothar Matthäus seine 10.000-DM-Wette mit Uli Hoeneß verlor –, und verabschiedete sich dann vom FC Bayern. Sein Rivale schickte ihm mit der Veröffentlichung eines »geheimen« Tagebuchs, mit dessen Vorab-Publikation die »Bild« am 4. Juni begann, noch eine Art Nachruf hinterher. Der Kernsatz lautete wenig überraschend: »Klinsmann und ich – wir werden keine Freunde.«
»Dass Franz ›Bild‹ Feuer gibt«, so Klinsmann später, »war nicht zu erwarten. Aber ein Rummenigge oder ein Uli hätte mal Klartext reden können.« Merkwürdig blieb jedenfalls, dass Hoeneß im Februar während des Trainingslagers auf Sardinien einen Teil des Manuskripts von Matthäus’ Tagebuch gelesen und es dann genehmigt hatte. Matthäus wurde erst nach Klinsmanns Abschied gedeckelt, indem er als Mannschaftskapitän abgesetzt und der ihm frisch als neuer Gegenspieler erwachsene Thomas Helmer zum Nachfolger erkoren wurde. »Die Transparenz hat sich entwickelt, und wir haben es laufen lassen«, gab Hoeneß einige Monate später zu. Es war höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen. Vielleicht hätte der Bayern-Manager Matthäus am liebsten gleich ganz entlassen, aber der mikrofonsüchtige Dauerquerulant blieb nach wie vor der spezielle Liebling Beckenbauers und zudem auf dem Platz unzweifelhaft ein herausragender Könner. Nicht wirklich überraschend war dann, dass es zu Matthäus’ Karriereende im Jahr 2000 nicht ohne großes Getöse abging.
»Er ist für mich die größte Enttäuschung, seit ich im Fußballgeschäft bin«, konnte es Uli Hoeneß kaum fassen. »Wider besseres Wissen hat er unsere Ehrlichkeit in Frage gestellt. Dabei werden Sie nie jemanden finden, der über mich sagt: Der Hoeneß hat mich beschissen.« Matthäus hatte nach seinem Abschiedsspiel behauptet, dass die Gelder aus dieser Partie im Münchner Olympiastadion (FC Bayern gegen die deutsche Nationalmannschaft) nicht korrekt abgerechnet worden seien, und den FC Bayern auf eine Nachzahlung von 1 Mio. DM verklagt. »Es hat noch nie ein Bayern-Profi ein besseres Abschiedsspiel bekommen als er«, kommentierte der Bayern-Manager kopfschüttelnd den letztlich ergebnislosen Vorstoß des ehemaligen Bayern-Spielers. »Statt 3,5 Millionen Mark nahm Lothar sieben Millionen ein. Eigentlich müsste er sagen: Welchen Schampus trinkt ihr? Stattdessen will er noch eine Million von uns.«
Nachdem sich Matthäus im Herbst 2002 dann auch noch als externer Chefkritiker des FC Bayern zu profilieren versucht und damit eine Art Bewerbung hatte abgeben wollen, hatte Uli Hoeneß den Kanal endgültig voll. Als er beim DSF-Stammtisch »Doppelpass« darauf angesprochen wurde, ob der Lothar in der Zukunft eine Position bei Bayern München einnehmen könne, ergoss sich sein in Jahren angestauter Ärger in ein ätzendes Bonmot: »Solange Karl-Heinz Rummenigge und ich etwas beim FC Bayern zu sagen haben, wird der bei diesem Verein nicht mal Greenkeeper im neuen Stadion.«
Wenig später legte er noch einmal nach. »Ich bin so gekränkt von alledem, was der uns angetan hat«, äußerte er in einem Interview mit der »Abendzeitung« und
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