Das Prinzip Uli Hoeneß
doch alles nur wieder die alte Leier, meinte er erst und winkte genervt ab, dahinter stecke doch nur der Neid auf den angeblichen Reichtum der Bayern und ihre seit zehn Jahren anhaltende Dominanz in der Bundesliga. Na ja, gab er schließlich wenig später zähneknirschend zu, seine forschen Sprüche könnten vielleicht auch ein klein wenig schuld gewesen sein. Aber warum werde er nur ständig mit Fleiß missverstanden? »Man wird ja an jedem Wort gemessen, muss alles auf die Goldwaage legen. Ich habe nach der Winterpause gesagt, wir dürfen kein Spiel mehr verlieren, daraus wurde gemacht, wir verlieren kein Spiel mehr.«
Hoeneß rief nun eine neue Medienpolitik aus, um dem schlechten Ruf seiner Bayern entgegenzuwirken. »Es wird sicherlich schwieriger sein, von uns Interviews zu bekommen. Keine Aussagen mehr machen über Ziele. Und wenn, dann so, wie ich es gemacht habe: Nicht-Abstieg, alles runterfahren.« Die Ironie war: Als der für seine starken Sprüche berühmt-berüchtigte Manager in grandiosem Understatement für die Spielzeit 1991/92 den Nicht-Abstieg als Saisonziel verkündete, gerieten die Bayern anschließend beinahe tatsächlich in Abstiegsgefahr. Fast wirkte es so, als habe ein saft- und kraftloser gewordener Hoeneß seine Bayern angesteckt. Die »Bild« entdeckte denn sogleich in Hoeneß’ Sehnsucht nach Liebe den Keim des Niedergangs. »Aus der vermeintlichen Arroganz sollte auf Teufel-komm-raus Volksnähe werden. Das wurde zum gefährlichen Bumerang. Hoeneß hat nämlich übersehen, dass die Gegner den Respekt vor den Bayern verloren. Der allein war jedoch in den großen Zeiten dieses Klubs gut und gern zehn Pluspunkte wert – pro Saison.«
Es lief erst wieder besser, nachdem Hoeneß den psychischen Ballast dieser Seuchensaison abgelegt und wieder zu alter Wortgewalt zurückgefunden hatte. Und so wurde, mit dem altgewohnten Ballyhoo, ein weiteres Kapitel des Nord-Süd-Duells zwischen Bayern und Werder geschrieben. Als Bremens Trainer Otto Rehhagel ganz im Sinne Willi Lemkes die wenig originelle Aussage wiederholte, der beste Fußball werde langfristig dort gespielt, wo sich das meiste Geld befinde, holte der Bayern-Manager mit frischer Kampfeslust zur Retourkutsche aus: »Wahrscheinlich hat Rehhagel sich selbst gemeint, weil Werder mit Abstand am meisten Geld hat in der Liga. Ich möchte nicht deren Konten untersuchen mit ihren GmbHs, die sie links und rechts vorgeschaltet haben. Die haben riesige Gewinne, weisen aber nie einen aus. Im SPD-Ländle Bremen werden diese Dinge in den Medien nicht so hinausposaunt, weil die alle unter einer Decke stecken. Ich rege mich furchtbar auf, wenn der Manager Lemke von den Millionarios spricht.« Die Mär von den reichen Bayern und den armen Bremern stimme nicht, im Gegenteil; die Bremer hätten, behauptete er – leider ohne den Beweis anzutreten –, mehr Geld als die Bayern. Einmal in Fahrt, erweiterte er seine Kritik schließlich sogar auf die ästhetische Ebene, indem er den Spielstil der Bremer kritisierte: »Dieses langsame Gekicke hintenrum – damit holen die keinen hinter dem Ofen hervor.« Es sei kein Zufall, dass Werder nur 17.000 Zuschauer habe, frotzelte er. »Der Herr Lemke hat gesagt, er hätte gerne das Olympiastadion. Das gebe ich ihm, weil er es nur einmal im Jahr braucht – wenn Bayern München kommt.« Lemke gehe ihm »auf den Geist« mit seinem »Sozialgequatsche«, polterte er noch kräftiger, der solle endlich aufhören, aus der sportlichen Konkurrenz »einen sozialpolitischen Machtkampf« zu machen. Wenn er bei der Wahrheit bleibe, müsse er nämlich sagen, der SV Werder sei »ein gut geführter, gut strukturierter, wohlhabender Verein«, so wie eben der FC Bayern auch – und gleichwohl, so die insgeheim intendierte gedankliche Fortführung, sportlich nicht so erfolgreich.
Wenn die Bremer mal, wie in der Saison 1992/93, vorne dran waren, dann musste da – jedenfalls in den Kategorien des Hoeneß’schen Weltbildes – eigentlich irgendwas nicht stimmen. 32 Spieltage lang führten die von Erich Ribbeck betreuten Münchner die Tabelle an, dann schnappten sich die punktgleichen Bremer am 33. Spieltag durch einen berauschenden 5:0-Heimsieg gegen den HSV erstmals die Tabellenführung – mit der hauchdünn um einen Treffer besseren Tordifferenz. Hoeneß giftete, dass die Bremer »nicht lange oben bleiben« würden, und witterte Verrat. Hatten die beiden Nordrivalen im Kampf um die Meisterschaft etwa gemeinsame Sache gemacht,
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