Das Prinzip Uli Hoeneß
auch nur mit mir essen war, für arrogant, unzuverlässig oder brutal halten würde«, sagt er einmal und wiederholte solche Äußerungen vor allem in den letzten Jahren immer wieder. Einem »Bild«-Reporter bot er die Wette an: »Sie werden unter den Menschen in meinem direkten Umfeld – also Spielern, Mitarbeitern und Freunden – keine fünf finden, die sagen: Der Hoeneß ist ein Arschloch.« Ein anderes Mal drückte er dasselbe in Prozenten aus: »98 Prozent der Leute, die mich kennen, mögen mich auch.«
Das heißt im Umkehrschluss: Wer Hoeneß nicht mag, der kennt ihn einfach nicht. »Viele Leute bilden sich ihr Urteil aus meinen Auftritten nach einem Spiel – sie erleben mich in Hektik und nicht selten mit rotem Kopf. Aber es würde mich sehr treffen, wenn jemand, der mich kennt, mich mit einem solchen Charakter in Verbindung bringen würde. Ich bin nicht arrogant, ich bin nicht brutal, nicht aufbrausend. Ich glaube, man kann keinen besseren Freund haben als mich. Es ist halt schade, dass die Mehrheit nicht sagt: Der Hoeneß, der ist okay.« Jeden, der ihn im Allerheiligsten des FC Bayern besuchte und auf der korbgeflochtenen Sitzgelegenheit in seinem Büro an der Säbener Straße Platz nahm, versuchte er von dem wahren, dem »zweiten« Uli Hoeneß zu überzeugen. In aller Regel, meinte er einmal zu einem dieser Besucher, sei er damit auch erfolgreich: »99 Prozent der Menschen, die auf dieser Couch sitzen, sagen oder schreiben kein schlechtes Wort mehr über mich.«
Manch ein Psychologe würde aus solch einer Aussage wohl die Erfahrung eines eklatanten Mangels an Liebe herauslesen. Zumindest eine stark ausgeprägte Sehnsucht danach, geliebt zu werden, liegt mit Sicherheit vor. »Ich will ja gar nicht geliebt, ich will nur respektiert werden«, beteuerte Uli Hoeneß zwar wiederholt, doch wer so oft der Buhmann war wie er, dem dürfte Respekt allein als Ausgleich kaum genügen. Zwar hat sich gerade in den letzten Jahren seines Managerdaseins die Zahl derer erhöht, die ihm – wie etwa Jochen Schmieder in der »SZ« – bescheinigten, ein »feiner Kerl« zu sein. Zu oft aber hat Hoeneß sich missverstanden gefühlt, wie in der Kokain-Affäre um Christoph Daum, als ihm Wolfgang Holzhäuser, ehemaliger Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, vorhielt, sein Verhalten sei »an Selbstgerechtigkeit nicht mehr zu überbieten«. Hoeneß hatte damals in einem Interview mit dem »Stern« angemerkt, dass er für sein unbestechliches Schwimmen gegen den Meinungsstrom und für seinen unter Verzicht auf jeden persönlichen Vorteil erbrachten moralischen Einsatz eigentlich hätte geehrt werden müssen: »Denn ich habe in einer Zeit, in der die Scheinheiligkeit groß ist, bewiesen, dass ich nicht wie andere von Zivilcourage nur rede, sondern sie auch vorlebe.« Vielleicht hätte Hoeneß es in der Öffentlichkeit etwas einfacher, wenn er sich in seiner Rhetorik ab und an mal etwas zurücknähme – nicht nur in der Beurteilung anderer, sondern auch in seiner Selbstdarstellung.
Die Maximen eines weichen Moralisten
Die größte Herausforderung seines beruflichen Lebens, nicht nur als Manager und Vorstand, sondern vor allem als Mensch, fasste Uli Hoeneß in der Frage zusammen: »Kann es gelingen, die Champions League zu gewinnen, nicht einmal und zufällig, sondern als permanenter Anwärter – ohne in der Führung des Vereins die eigenen Werte zu verleugnen?« Uli Hoeneß erhob also nicht nur den Anspruch, ohne die Millionen von Mäzenen erfolgreich zu sein, sondern zugleich auch noch mit Moral. Erfolg mit wenig Geld, aber nicht um jeden Preis – so in etwa könnte man die oberste Maxime seines Tuns zusammenfassen. Und am Ende seines Managerlebens formulierte er es als sein oberstes Anliegen, den Verein »besenrein« zu übergeben. Er werde dieses Ziel erreichen, meinte er. »Ganz sicher finanziell, aller Voraussicht nach auch sportlich. Vollkommen erfüllt ist dieses Lebenswerk allerdings erst, wenn ich ihn auch moralisch besenrein übergebe.« Er zeigte sich zuversichtlich, auch mit dem moralischen Besen gut gekehrt zu haben; ob sich seine Ansprüche allerdings zukünftig würden halten lassen, da war er ein wenig skeptisch. Das nämlich erachtete er als die entscheidende Zukunftsfrage: »Lassen sich unsere Werte der Fürsorge, Verlässlichkeit und Menschlichkeit in einer Fußballwelt, die bestimmt ist von erbitterter Konkurrenz, Rücksichtslosigkeit und menschlichen Flüchtigkeiten, erhalten?«
Der FC Bayern
Weitere Kostenlose Bücher