Das Prinzip Uli Hoeneß
Rechtsradikalen belästigten Ausländer in der U-Bahn geholfen hatte – und deswegen niedergeschlagen wurde. Einer wie Carsten Jancker, der zudem häufig als Rüpel auffiel, wurde da für den FC Bayern immer mehr zu einem Imageproblem. Obwohl der Stürmer sich schließlich doch noch von seinen rechten Fans distanzierte, war der Bayern-Manager froh, als er ihn 2002 für gutes Geld nach Italien verkaufen konnte.
Die Auseinandersetzungen mit bestimmten Fangruppierungen eskalierten im Sommer 2003, als die Fanklubs »Red Sharks« und »Club Nr. 12« sowie die Ultra-Gruppierung »Schickeria« wegen »wiederholtem vereinsschädigendem Verhalten«, so die Begründung, vom Verein ausgeschlossen wurden. Ausschlaggebend waren dabei allerdings nicht rechtsradikale Fangesänge, sondern gewalttätige Ausschreitungen bei der Meisterfeier, als Fans den Autocorso der Mannschaft per Sitzblockade gestoppt hatten. Das Vorstandsmitglied Karl Hopfner, in der AG für die Fans zuständig, und der Fanbeauftragte Raimond Aumann erhielten wenig später per E-Mail eine Morddrohung. »Diese Leute sind sehr geschickt, hochintelligent, Betriebswirtschaftler«, wusste Uli Hoeneß über die Täter zu berichten. »Aber das Gefährliche ist, wenn sie irgendwann in Anzug und Krawatte einen totschlagen.« Dass die Vertreter der Fanklubs sich gegen die Pauschalverurteilung als Chaoten und Gewalttäter wehrten und dementierten, etwas mit den Drohungen zu tun zu haben, ignorierte man in der Chefetage des FC Bayern zunächst.
Der Verein nahm die Kollektivstrafe später zwar wieder zurück, die Auseinandersetzungen waren damit aber noch längst nicht beigelegt. Schlagzeilen machten vor allem gewalttätige Ausschreitungen nach dem Spiel des FC Bayern in Duisburg am 25. März 2006 – gegen 59 Bayern-Fans wurden wegen Verdacht auf Landfriedensbruch Ermittlungsverfahren eingeleitet – und ein Vorfall im Frühjahr 2007, als Bayern-Fans an einer Autobahnraststätte auf Nürnberg-Fans losgingen, wobei eine unbeteiligte Frau von einer Flasche getroffen wurde und auf einem Auge erblindete. Da an beiden Vorfällen hauptsächlich Mitglieder des Fanklubs »Schickeria« beteiligt waren, kündigte der FC Bayern 530 Dauerkarten auf der Basis einer alten Schickeria-Namensliste. Erst nach und nach nahm der Verein die Sanktionen wieder zurück, als klar wurde, dass auf der Liste auch viele Nicht-Ultras aufgeführt waren.
Uli Hoeneß blieben Gruppierungen wie »Schickeria« und »Club Nr. 12« freilich weiterhin suspekt, denn selbst wenn es nur wenige Gewalttäter waren, so kamen sie doch aus diesem Umfeld. Dazu meinte er Grund für weitere Vorwürfe zu haben: Die Ultras betrieben »Geschäfte im Untergrund«, strebten die komplette Kontrolle in der Südkurve an, dem Kernbereich der Bayern-Fans,und wollten über die Verteilung der begrenzten Sieben-Euro-Tickets bestimmen. »Wenn wir uns das gefallen lassen«, warnte er, »haben wir in wenigen Jahren italienische Verhältnisse in unseren Stadien.« Davor sei »eindringlich« zu warnen. Das Beispiel der Ultras in Italien, die für diese Bayern-Fans ein Vorbild seien, zeige, dass man solche Dinge nicht bagatellisieren dürfe. »Wenn das nicht lösbar ist, höre ich auf«, sagte er der »Sport-Bild« unter Verweis auf seinen Amtskollegen beim AC Mailand: »Ich habe keine Lust, demnächst wie der Herr Galliani 24 Stunden unter Polizeischutz zu stehen. Oder wie in Marseille 5.000 Freikarten an die Ultras zu verteilen.«
Uli Hoeneß und die Bayern-Fans – das ist die Geschichte einer schwierigen Liebe. Denn die Gewalt ist ja nur ein Aspekt des Themas. Fans, die als Gewalttäter aufgefallen sind, ein Stadionverbot zu erteilen, ist nötig und richtig. Schwieriger wird es im Umgang mit ganzen Gruppierungen wie den »Ultras«, die eigenständig und nicht als bestellte Folklore handeln wollen, die gegen die Kommerzialisierung protestieren und sich nicht als Fanshop-Kunden sehen, die ernst genommen werden wollen und sich nicht mit einer durch Spielerbesuche garnierten Bayerntümelei bei Weihnachtsfeiern begnügen. Seinem Selbstverständnis nach hat der Bayern-Manager für die Fans immer ein großes Herz gezeigt – und entsprechend großes Unverständnis geäußert, wenn die sich, eigenwillig und widerborstig, nicht mit der für sie vorgesehenen Rolle gegnügen wollten. Manchmal wurde er ausfällig, so etwa im November 2005. In Pakistan hatte es gerade ein fürchterliches Erdbeben gegeben, und Hoeneß hielt es vor diesem
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