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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Bausenwein
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einen neuen Rekord von 65.107 Zuschauern pro Spiel.
    Selbst während der Krise in den achtziger Jahren war der Zuschauerschwund beim FC Bayern moderater ausgefallen als bei anderen Vereinen. Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass die Bayern nicht nur lokal verankert waren, sondern ein enormes Fanpotenzial in einem weiten Umkreis besaßen. Schon damals hatte Hoeneß ein Marktforschungsinstitut mit einer Analyse der Zuschauerstruktur beauftragt, um sich besser auf die Bedürfnisse der Fans einstellen zu können, vor allem derjenigen mit weiten Anreisewegen aus der bayerischen Provinz. Und wenn dann doch mal angesichts eines wenig attraktiven Gegners gähnend leere Ränge zu befürchten waren, preschte der Fan-Manager mit frechen Sprüchen heran, um doch noch einen Fußball-Roar herbeizuzaubern.
    Helle Empörung löste er im Herbst 1988 mit dem Vorschlag aus, bei einem Sieg über die Stuttgarter Kickers mit weniger als drei Toren Vorsprung den Zuschauern das Eintrittsgeld zurückzugeben und den Spielern die Prämien zu streichen. »Das ist frech und unverschämt, arroganter geht es nicht mehr«, war Kickers-Präsident Axel Dünnwald-Metzler noch nach dem Spiel außer sich. »Wenn Hoeneß sein Vorhaben wahrgemacht hätte, wären wir nur unter Protest angetreten.« Es waren dann nur 15.000, die den 3:0-Sieg der Bayern unter normalen Konditionen hatten sehen wollen. Noch weniger, nämlich nur 11.500 Zuschauer, kamen im Jahr darauf, um sich einen mäßigen 3:1-Heimsieg gegen Nentori Tirana im Achtelfinale des Europacups der Landesmeister anzutun. Hoeneß’ Einladung, dass Besucher dieses Europapokal-Langweilers gratis zum Bundesliga-Spitzenspiel gegen Leverkusen kommen dürfen, war offensichtlich nicht verlockend genug gewesen. Im Zuge des bald darauf einsetzenden Zuschauerbooms gab es dann kaum einmal mehr Geisterspiele dieser Art. Hoeneß plagte nun umgekehrt die Problematik eines möglicherweise auf Dauer ausverkauften Stadions. Das sei nicht gut, wenn man überhaupt keine Karten mehr verkaufen könne, meinte er im Sommer 1995. »Irgendwo muss man bei den Dauerkarten einen Schnitt machen, damit alle, die mal ein Spiel anschauen wollen, auch die Chance haben, überhaupt ins Stadion zu kommen.«
    So viel steht fest: Ein Stadion, das alle Bayern-Fans aufnehmen könnte, wäre unmöglich zu bauen. Bleibt die Frage: Ist das neue Stadion, die Allianz Arena, ein fangerechtes Stadion? Als eine Heimat und ein Schallraum für Fanemotionen war sie konzipiert, aber zugleich ebenso als ein Tempel des Kommerzes, der möglichst viel Geld abwerfen sollte. »Die Arena bietet uns irre neue Möglichkeiten«, meinte Hoeneß mit Blick auf das Finanzielle. Da sind zum einen die teuren VIP-Logen; zum anderen aber auch zahlreiche Anreize – drei Restaurants, 28 Kioske, ein FC-Bayern-Mega-Store –, die »Normalverbraucher« zu mehr Konsum veranlassen sollen. Totale Kommerzialisierung und Fankultur – verträgt sich das?
    Hoeneß, der ewige Sucher neuer Geldquellen, bekannte im Jahr 2005 in einem Interview mit der »Zeit«, dass die Ökonomisierung wohl eine kritische Grenze erreicht habe: »Natürlich müssen wir uns immer wieder die Frage stellen, wohin wir das alles treiben. Und ich würde auch gerne viele Dinge zurückschrauben. Ich bin für den puren Fußball.« Keinesfalls aber mache es Sinn, zurück zu den Ursprüngen zu gehen, denn dann müsste man künftig gegen Burghausen spielen statt gegen Chelsea. Es führte kein Weg an der Erkenntnis vorbei: »Solange in Deutschland jeder will, dass Bayern Chelsea schlagen kann, solange die Leute wollen, dass wir gegen Milan konkurrenzfähig sind, müssen wir mit den Wölfen heulen.«
    In diesem Satz zeigte sich Hoeneß’ gespaltenes Herz. Auf der einen Seite musste er die Gesetze des Geldes und des Erfolgs bedienen, auf der anderen Seite wusste er als echter Fußball- und Bayern-Fan aber natürlich auch von der Gefahr, dass der Zuschauer mit der billigen Eintrittskarte zu einer bloß noch folkloristischen Staffage herabsinken könnte. Und ihm war stets bewusst, dass das nicht passieren durfte, wenn man dem Fußball seine Seele bewahren wollte. »Vieles von dem, was sie sich auf ihre Fahnen schreiben«, meinte er als sentimentaler Anhänger einer heilen Fußballwelt, »entspricht meiner Sicht auf den Fußball.« Der profitgierige Macher machte nie den ganzen Uli Hoeneß aus; es gab da immer noch den Romantiker, der Glück nur im puren Fußball fand.
    Wenn die Fans Probleme machen
    Purer

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