Das Prinzip Uli Hoeneß
Fußball bedeutet natürlich immer auch Aggression. Uli Hoeneß wurde schon in den achtziger Jahren dafür kritisiert, dass er mit seinen deftigen Sprüchen das Reizklima bei heißen Matches noch anheize und dadurch zu einem schlechten Vorbild werde. Selbstkritisch gab er einmal zu: »Mir ist längst auch im Blick auf die Gewalttätigkeit rund um den Fußball bewusst, dass ich das nicht auch noch schüren darf, indem ich den Gegner attackiere.« Und seitdem wiederholte er immer wieder mal, dass das Risikopotenzial in den Stadien verringert werden müsse. »Ich selbst erkenne mich ja manchmal gar nicht mehr wieder, wenn ich direkt nach aufwühlenden Spielen in die Kameras blicke und Stellung beziehe«, meinte er im Jahr 2002. »Deswegen habe ich mir vorgenommen, mich zurückzunehmen, wenn es irgend geht, und am nächsten Tag etwas zu strittigen Vorgängen zu sagen.« Zwei Jahre später kommentierte er das Verhalten des Schalke-Managers Assauer, der in Frankfurt pöbelnden Fans den Stinkefinger gezeigt hatte, mit einem Appell zur Mäßigung. »Das geht nicht. Meine größte Sorge wäre, dass danach die Zuschauer durchdrehen. Die Verantwortung dafür möchte ich nicht haben. Obwohl«, fügte er noch hinzu, »es unseren eigenen Fans nicht gefällt, dass ich mich derzeit so stark zurücknehme, dass ich gar nichts mehr sage. Die mochten das immer, wie ich den Verein verteidigt habe.«
Das Verhältnis des Vereins zu seinen Fans war aber nicht nur durch gewaltbereite Anhänger belastet. Dem FC Bayern hat, genauso wie anderen Vereinen, der Rassismus und Rechtsradikalismus unter bestimmten Fangruppierungen sehr zu schaffen gemacht. Als gewalttätige Bayern-Fans im März 1985 in Mannheim mit dem Gesang »Hitler wird kommen« unangenehm auf sich aufmerksam gemacht hatten, sprach Hoeneß zwar davon, dass man sich künftig mehr um die Fans kümmern wolle – etwa, indem Leute vom Verein, »nicht nominierte Spieler, aber auch mal der Präsident oder ich selbst, in den Sonderzügen zu Auswärtsspielen mit den Fans fahren« –, blendete dabei aber die Neonazi-Problematik aus. »Wir wollen mit ihnen reden, ihnen dass Gefühl geben, dass auch sie wichtig sind«, meinte er ganz im Stil des besorgten Patriarchen. »Im Übrigen muss man diese jungen Leute verstehen. Für die ist doch der Verein eine Art Ersatzfamilie, etwas Schützenswertes. Und wenn nun ein anderer gegen diese Familie etwas sagt, dann werden sie sie schützen. Und da sie das selten mit Argumenten können, schlagen sie leider oft zu.«
Später, als in der ganzen Bundesliga antirassistische Kampagnen anliefen, verstand Uli Hoeneß die Problematik besser. Gerade im Fußball, meinte er jetzt, sei es besonders wichtig, sich gegen Ausländerfeindlichkeit zu engagieren: »Schließlich können wir Woche für Woche Hunderttausende erreichen.« Trotz erhöhter Sensibilität gegenüber der Thematik kam es zu widersprüchlichen Entwicklungen. Einerseits avancierte der dunkelhäutige Brasilianer Giovane Elber zu einem der beliebtesten Bayern-Spieler überhaupt, andererseits erkoren einige rechtsradikale Fans Elbers glatzköpfigen, bulligen und blauäugigen Sturmpartner zu ihrem speziellen Idol. »Unser Führer Carsten Jancker«, skandierten sie, und dem Bayern-Manager wurde etwas mulmig, zumal Jancker zunächst keine klaren Distanzierungsworte fand. In der Furcht, der Ruf des Vereins könne Schaden nehmen, wies Hoeneß den Stürmer an, sich doch bitteschön der Skinheadfrisur zu entledigen. Vier Wochen lang ließ Jancker sich die blonden Haare wachsen, aber weil er in dieser Zeit das Tor nicht traf, kehrte er aufgrund des mutmaßlichen Zusammenhangs zwischen Glatzköpfigkeit und Treffsicherheit zum alten Look zurück.
Vielleicht hatte gerade die Problematik Jancker dazu beigetragen, dass sich der FC Bayern zusammen mit dem damaligen Hauptsponsor Opel zunehmend gegen Rechtsradikalismus engagierte und Uli Hoeneß immer deutlichere Worte fand. »Ich sage meine Meinung, wenn es zu einer Diskussion kommt«, erklärte er im Januar 2001 der »Frankfurter Rundschau«. »Ich spreche mit unseren Fans und sage denen, dass ich sie aus dem Stadion schmeiße, wenn ich rechtslastige Parolen höre. Unsere Fanklubs sind angewiesen, solche Wirrköpfe erst gar nicht aufzunehmen. Ich würde nicht davonlaufen, wenn irgendwo ein Ausländer belästigt wird. Ich würde es in Kauf nehmen, mir ein blaues Auge einzufangen.« Ein großes Lob zollte er seinem couragierten Sohn Florian, der einem von
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