Das Prinzip Uli Hoeneß
die Großen etwas gemacht würde, dass der normale Fan bei uns hintanstehen müsse; als Anrufer in der Geschäftsstelle lande er stets in der Warteschleife. Diesen Anstoß von der Basis haben wir sehr ernst genommen.« Die Konsequenz war die Installierung des einst bei den Fans sehr beliebten ehemaligen Bayern-Torhüters Raimond Aumann als Fanbeauftragter.
Als oberster Bayern-Fan demonstrierte Hoeneß immer wieder ganz gezielt seine Verbundenheit mit bestimmten Fanklubs. Einmal saß er mit einer gestreiften Bommelmütze auf der Trainerbank. Es handelte sich um eine Pomperlmütze, das Erkennungszeichen eines Fanklubs aus Bad Griesbach, der Pomperlbuam. Hoeneß hatte den Griesbachern versprochen, diese Mütze aufzusetzen, sollte Bayern ein wichtiges Europapokalspiel gegen Anderlecht gewinnen. Bayern hatte gewonnen. Es war ihm egal, dass er mit der Mütze etwas lächerlich aussah – sie demonstrierte seine Verbundenheit mit den Fans, und allein das war wichtig. Uli Hoeneß’ Reaktion auf einen Beschwerdebrief, der einmal auf seinem Schreibtisch landete, ist ein anderes Beispiel. In dem Brief hatte ein Bayern-Mitglied moniert, dass seine Bestellung für zwei Eintrittskarten unbeantwortet geblieben sei. Der Manager, der als Schwabe auch ein Feind jeglicher Schlamperei ist, schrieb persönlich einen Entschuldigungsbrief, schenkte dem erbosten Fan zwei Tickets und bat ihn inständig, Mitglied zu bleiben.
»Von Fußballklubs können Unternehmen lernen, wie man Loyalität zu Fans und Mitgliedern aufbaut«, sagte Dan Jones, Fußballexperte der Unternehmensberatung Deloitte in Manchester. Für die Fans baute der FC Bayern letztlich auch sein neues Stadion, die Allianz Arena. Sie ist ein reines Fußballstadion, keine Laufbahn trennt das Publikum von seinen Stars. Grundsätzlich ist sie also nicht nur komfortabler, sondern auch zuschauerfreundlicher als das Olympiastadion und prinzipiell besser geeignet, eine atmosphärische Dichte herzustellen. Bei der Gestaltung der Eintrittspreise hatten die Bayern auch an die Hardcore-Fans mit kleinem Geldbeutel gedacht. Die günstigsten Plätze in der Allianz-Arena kosten ganze sieben Euro. Kein Verein sei so billig wie der FC Bayern, stellte Uli Hoeneß beim »Audi-Star-Talk« im Juli 2009 fest, für 12.000 Fans gebe es Stehplatz-Jahreskarten zu jeweils 120 Euro.
Diese Fanfreundlichkeit war Ausdruck eines Prinzips. Schon im Olympiastadion hatte der Bayern-Manager für konstante Stehplatzpreise gesorgt. »Eintrittspreise für Stehplätze werden nicht erhöht, denn wir brauchen die Atmosphäre im Stadion.« Der FC Bayern sei nicht nur ein Verein für die Großkopferten und für die VIPs, sondern genauso für die normalen Anhänger und die Kuttenfans. Und jeder sollte auch zufrieden sein: »Der Mann in der Südkurve wird nie sauer sein auf einen Spieler, der ein oder zwei Millionen verdient, weil er nie das Gefühl hat, mit seinem Eintrittsgeld einen Spieler zu finanzieren. Mit 4,70 Mark kann man nicht das Gehalt eines Spielers finanzieren.«
Die Eintrittspreise waren also nie das Problem, wenn mal weniger Zuschauer kamen, und sie sollten auch nie ein Problem werden, meinte Hoeneß im Frühjahr 2009 mit Blick auf die Wirtschaftskrise: »Wenn es wirklich schlimmer wird und die Arbeitslosigkeit extrem zunimmt, werden wir über die Eintrittspreise nachdenken und sie der jeweiligen Situation anpassen.« Allerdings glaube er nicht, dass es da jemals ein Problem geben werde. »In allen früheren Krisen hat sich gezeigt, das sich die Fans das Vergnügen am Fußball, die Muße, am Samstag ins Stadion zu gehen, nicht haben nehmen lassen. Wer die Woche über Probleme und Ärger hat oder Sorgen um den Arbeitsplatz, der braucht ein Ventil am Wochenende.«
Tatsächlich hatte der FC Bayern kaum einmal unter einem eklatanten Einbruch der Zuschauerzahlen zu leiden. In der Saison 1972/73, der ersten im Olympiastadion, wurde im Saisonschnitt pro Spiel erstmals die 30.000er-Grenze überschritten, die in den folgenden Spielzeiten bis 1991/92 nur fünfmal nicht erreicht wurde. Dann gab es, korrespondierend mit einem allgemeinen Fußballboom, einen deutlichen Sprung nach oben: 1992/93 wurde die 40.000er-Grenze geknackt, 1995/96 fiel beinahe schon die 60.000er-Grenze. Diese Saison war mit 59.766 die beste der Zeit im Olympiastadion, in der die Bayern nur noch ein einziges Mal unter einem Schnitt von 50.000 Zuschauern blieben (2000/01). Bereits die erste Saison in der neuen Allianz Arena brachte dann 2005/06
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