Das Prinzip Uli Hoeneß
»Triples« 2010 im Finale von Madrid gegen die coolen und cleveren Abwehrkünstler von José Mourinhos Inter Mailand scheiterte, war zwar bitter, konnte aber kein Anlass für Verzweiflung sein. Enttäuscht und traurig sei er schon, bemerkte Uli Hoeneß nach dem 0:2, aber an dem »fantastischen Gesamteindruck der Saison« ändere das nichts. »Unsere Mannschaft hat eine große Zukunft«, fügte er stolz und ohne jeden Trotz hinzu.
Exkurs
Der Gourmand
Im Jahr 1999 wurde der Metzgersohn und Bratwurst-Fabrikant Uli Hoeneß vom Deutschen Fleischer-Museum in Böblingen zum »Botschafter der Deutschen Wurst« gekürt. Mit seiner Wahl, hieß es in der Laudatio, habe man eine Persönlichkeit geehrt, die »ein verehrendes und verzehrendes Verhältnis zu Fleisch und Wurst hat«. Hoeneß erinnerte bei dem Festakt an seine Herkunft (»Mein Vater wäre stolz und glücklich, mich hier heute zu sehen«) und bekannte sich als überzeugter Wurstesser. Als »Botschafter« wolle er künftig dazu beitragen, dass »der viele Unsinn, der in den letzten zehn Jahren über Fleisch und Wurst geschrieben worden ist, geradegerückt wird«. Schließlich sei er das lebende Beispiel dafür, dass der Verzehr von Fleisch und Wurst nicht schade, und lachte: »Das, was ich geworden bin, bin ich auch durch Fleisch und Wurst geworden.« Natürlich gab es zum Abschluss der Ehrung eine herzhafte Schlachtplatte, und der Bayern-Manager ließ sich denn auch nicht lange bitten und griff reichlich zu.
Als Hoeneß diese Ehrung erhielt, war das Thema Fleischkonsum vor allem durch die in England grassierende Rinderseuche BSE zu einem Politikum geworden. Konsequenz waren die Einführung neuer Testverfahren sowie das Verbot der Verfütterung von Tiermehl. Nachdem im November 2000 der erste Fall von BSE in Deutschland offiziell nachgewiesen war, äußerte sich auch der Bratwurst-Fabrikant Hoeneß zu dem Thema. Erstens, meinte er, würden seine Würstl »nach dem Originalrezept, vorgeschrieben durch die Stadt Nürnberg, hergestellt, also zu hundert Prozent aus Schweinefleisch. Und ich garantiere mit meinem Namen dafür, dass in der Wurst auch das drin ist, was auf dem Etikett draufsteht.« Und zweitens halte er die Hysterie um BSE »für total überzogen«. Er esse nach wie vor jederzeit gern ein Steak, denn: »Durch die Tests ist es doch jetzt sicherer als je zuvor.«
Kritik am Fleisch- und Wurstkonsum mag Uli Hoeneß nicht. Das bewies er auch drei Jahre später, als die Falschmeldung verbreitet wurde, der Bayern-Spieler Michael Ballack dürfe wegen erhöhter Harnsäurewerte kein Fleisch mehr essen. Hoeneß sprang gleichsam als Sachwalter des Ballack-Sponsors McDonald’s in die Bresche und erwirkte im Namen des FC Bayern eine Richtigstellung in der »Bild«-Zeitung.
Im Prinzip scheint es wenig verwunderlich, dass ein Metzgersohn sich zu einem passionierten Fleischesser entwickelt. Aber die Dinge liegen womöglich etwas komplizierter. Vielleicht liegt die Ursache von Hoeneß’ Abneigung gegen alles Fleischlose in dem Blumenkohl, der im Ulmer Metzgerhaushalt so oft aufgetischt worden war. Seine strenge Mutter hatte immer am Tisch gewacht, dass kein Rest von dem Gemüse mehr auf dem Teller übrig blieb, selbst wenn Uli davon schlecht wurde. Später dann, als Erwachsener, bestellte er sich oft freiwillig panierten Blumenkohl als Beilage. Seit ihn niemand mehr dazu zwinge, begründete er, schmecke er ihm, der »Blumenkohl mit Dreck«. Zwei andere heimatliche Spezialitäten, Ulmer Wasserwecken und Brezeln, schmeckten ihm seit je sehr gut: Immer, wenn er mal in Ulm vorbeischaute, kaufte er diese Teigwaren in Mengen, um sie zu Hause in München einzufrieren. Seine eigentliche Passion ist aber bis heute das Fleisch, vor allem Schweinefleisch in allen Arten und Varianten. Schon als Spieler hatte der Lustesser wenig auf bewusste Ernährung geachtet. Geschadet habe es nicht, meinte er, und seine Mitspieler hätten es ja ähnlich gehalten. »Da gab’s jeden Freitagabend Schweinsbraten, und unser Mittelfeldspieler Franz ›Bulle‹ Roth hat am Samstagnachmittag einmal einen ganzen Erdbeerkuchen verdrückt und anschließend jeden Gegner in Grund und Boden gerannt!«
Eine gewisse Genuss-Lockerheit war Uli Hoeneß, der auch ein Gläschen Wein nicht verachtet, von seinem Großvater vorgelebt worden, dem Patriarchen eines großen Familienclans. Noch mit 80 Jahren war der Opa jeden Tag in die Wirtschaft gegangen, hatte seine zwei Viertele getrunken, eine Virginia geraucht und
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