Das Prinzip Uli Hoeneß
schlossen sie die Vorrunden-Gruppe F souverän ab.
Im neuen Jahr allerdings folgte in der Bundesliga ein wildes Hin und Her wechselnder Tabellenführer, im DFB-Pokal gab es ein deprimierendes 2:4 in Leverkusen, allein in der Champions Legaue schien es gut zu laufen, als man im Achtelfinale – ein freilich überfordert wirkendes – Sporting Lissabon mit insgesamt 12:1 Toren abfertigte. Dann kam das fürchterliche Erwachen, an einem denkwürdigen 8. April 2009 im Stadion Camp Nou des FC Barcelona. Ein desolates, in allen Belangen unterlegenes Bayern-Team war völlig chancenlos und wurde bereits in der ersten Halbzeit von den Ballkünstlern um Xavi, Iniesta, Messi, Henry, Eto’o & Co. nach allen Regeln der Kunst geradezu zerlegt. »Die erste Halbzeit war das Fürchterlichste, was ich je bei Bayern gesehen habe«, kommentierte ein geschockter Beckenbauer den Untergang, der schlimmer anzusehen war, als es das Ergebnis von 0:4 Toren auszudrücken vermochte.
Noch am Tag danach rätselte ein restlos deprimierter Uli Hoeneß, was da passiert war. »Ich glaube nicht, dass die Mannschaft nicht wollte. Sie war wie gelähmt und agierte wie das Kaninchen vor der Schlange. Die Barcelona-Spieler haben mit uns gemacht, was sie wollten.« Die Bayern-Spieler hätten nur hilflos herumgestochert. »Das war hinten und vorne nichts.« Und auf die Frage, ob man nach diesem Spiel nicht festhalten müsse, dass der FC Bayern auf diesem Niveau in Europa nicht mithalten könne, musste er zugeben: »Wenn man dieses Spiel zum Maßstab nimmt, ist es sicherlich so.« Uli Hoeneß schien kaum je zuvor so weit entfernt von der Erfüllung seines Herzenstraumes.
Aber es ging ja weiter, immer weiter. Der Klinsmann-Entlassung folgte ein kurzes Intermezzo von Jupp Heynckes und Platz zwei in der Bundesliga, danach gruppierte sich der FC Bayern um den niederländischen Startrainer Louis van Gaal neu zum Angriff. Uli Hoeneß’ Losung im Sommer 2009 lautete altbekannt: »Unser Kampfeswille ist ungebrochen.« Der war denn auch nötig nach einem äußerst mageren Saisonauftakt mit nur zwei Punkten aus drei Spielen. Völlig überraschend verpflichteten die Bayern per Blitztransfer für knapp 25 Mio. Euro von Real Madrid den niederländischen Tempodribbler Arjen Robben, der mit zwei furiosen Treffern beim 3:0 im Spitzenspiel gegen den Meister Wolfsburg sogleich seine Klasse zeigte. Uli Hoeneß führte auf der VIP-Tribüne im rosa Hemd ein Freudentänzchen auf. Der »Hauch von Madrid«, den einige Kommentatoren bei diesem Match vor allem im Zusammenspiel von Robben und Ribéry (»Robbéry«) gesehen haben wollten, verflog dann erst einmal wieder. Am 27. November 2009, als Uli Hoeneß zum Bayern-Präsidenten gewählt wurde, lagen die Bayern-Superstars lediglich auf Rang sieben, die Qualifikation für das Achtelfinale der Champions League war ernsthaft gefährdet. »Habt bitte etwas mehr Geduld«, rief der neue Präsident den Fans am Abend seiner Wahl beinahe flehentlich zu. Und er war extrem erleichtert, dass sich sein Appell an die Geduld umgehend als überflüssig erwies. Der Knoten platzte in der »magischen Nacht« von Turin (Karl-Heinz Rummenigge), als ein 4:1-Triumph gegen Juventus gelang. Mit Selbstbewusstsein und Kampfgeist, vor allem aber auch mit einer frappierenden Spielkunst, die der ehemalige Barça-Trainer van Gaal seiner aus Stars (Robben, Ribéry) und jungen Talenten (Müller, Badstuber) perfekt gemischten Truppe eingehaucht hatte, eilten die Bayern von Erfolg zu Erfolg. Ernsthafte Zweifel, dass die Deutsche Meisterschaft zum 22. Mal nach München gehen würde, konnte auch Felix Magath mit seinen überraschend starken Schalkern, die das vorentscheidende Spiel am 29. Spieltag mit 1:2 verloren, kaum mehr schüren.
Im Pokal gab es den 15. Titel nach einem mühevollen 1:0 im Halbfinale gegen Schalke – sichergestellt durch ein fulimantes Robben-Solo in der Verlängerung – und einer beeindruckenden 4:0-Gala im Endspiel gegen Bremen. In der Endrunde der Champions League benötigte man neben Willenskraft und Ballsicherheit auch ein wenig Glück: Gegen Florenz und Manchester United gelang das Weiterkommen jeweils nur ganz knapp durch Robben-Geniestreiche. Nach dem Halbfinal-Rückspiel gegen Olympique Lyon, das die Bayern durch drei Olic-Tore souverän und formschön für sich entschieden, durfte Uli Hoeneß aber völlig zu Recht schwärmen: »Das war fast Fußball in Vollendung.« Dass der Traum vom Gewinn der Champions League und damit des
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