Das Prinzip Uli Hoeneß
hatte sich Uli Hoeneß endgültig von seinem Ex-Kapitän emanzipiert.
Nach der Umstrukturierung war Beckenbauer Präsident des FC Bayern e.V. und stand dem Organigramm nach als Aufsichtsratsvorsitzender auch an der Spitze der AG. Rummenigge war nun Vorstandsvorsitzender, Hoeneß nur Stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Streng genommen waren Beckenbauer und Rummenigge damit die Vorgesetzten von Hoeneß, aber die realen Strukturen nivellierten die Hierarchie. Bei Spielertransfers oder anderen Ausgaben blieb Hoeneß’ Stimme gleichberechtigt, hinzu kam noch die des im Hintergrund wirkenden und Hoeneß gegenüber extrem loyalen Vorstandsmitglieds und Finanzfachmanns Karl Hopfner. Der kühle Diplomat Rummenigge und der heißblütige Frontmann Hoeneß, so viel stand fest, waren jetzt als die entscheidenden Macher installiert, und die Führungsarbeit hatte nun insgesamt einen professionelleren Anstrich. Beckenbauer war mit der Neuregelung praktisch ausgebootet. Obwohl er formal befugt war, den AG-Vorstand zu entlassen, ähnelte seine neue Rolle mehr der eines Frühstücksdirektors ohne jede wirkliche Entscheidungsbefugnis.
Franz Beckenbauer fühlte sich nach seiner Ernennung zum Aufsichtsratsvorsitzenden keineswegs grundlos abgeschoben und überflüssig. Sein Groll bei der Gründung der AG bezog sich zunächst vor allem darauf, dass man ihn beim Abschluss des Vertrags mit dem neuen Hauptsponsor Telekom nicht miteinbezogen hatte. Statt der Telekom hatte Beckenbauer die Deutsche Post favorisiert. »Mein Einsatz ist nicht mehr gefragt«, äußerte ein beleidigter »Kaiser« gegenüber der Presse und bestätigte, dass es »Irritationen und leichte Verstimmungen« gegeben hatte. Die Situation drohte zu eskalieren, als herauskam, dass er einen Werbevertrag mit dem direkten Telekom-Konkurrenten O2 abgeschlossen hatte. Beckenbauers Extratour habe, so Hoeneß, eine nicht unerhebliche Belastung für den Verein dargestellt, da der Deal mit dem FC Bayern auch innerhalb der Telekom nicht unumstritten gewesen sei. Es habe unterschiedliche Auffassungen gegeben, zu einem regelrechten Streit sei es dann aber nicht gekommen. »Wir haben dem Franz klargemacht, dass uns das nicht gefällt, mussten aber respektieren, dass er gesagt hat: ›Leute, das ist so viel Geld für mich, ich kann darauf nicht verzichten.‹«
Kurioserweise hatte Beckenbauer die Situation, von der er dann überrascht wurde, selbst heraufbeschworen – durch sein Votum für die Gründung einer AG. Hoeneß hingegen, der persönlich davon profitierte, war immer der Auffassung gewesen, dass der FC Bayern als Aktiengesellschaft einen Teil seiner Eigenständigkeit würde aufgeben müssen, und hatte die von Beckenbauer vorangetriebene Entwicklung stets kritisch gesehen. Nach der Einführung der AG gebe es nun »gewisse Unebenheiten«, kommentierte er nicht ohne Häme, weil die Aufgabenverteilung eine ganz andere geworden war. Die Entwicklung habe Beckenbauer »ein bisschen irritiert«, im Prinzip aber sei es natürlich alles andere als eine Überraschung, wenn es durch »seine Entlastung von Aufgaben« auch zu »einer Abgabe von Verantwortlichkeiten« gekommen war. Und im Übrigen habe Beckenbauer ja nicht erst seit seiner Ernennung zum Aufsichtsratsvorsitzenden, sondern schon seit Jahren nichts mehr mit dem Tagesgeschäft zu tun. »Das ist eine Zustandsbeschreibung, keine Bösartigkeit ihm gegenüber«, meinte er betont harmlos. »Jetzt ist alles perfekt. Franz bleibt uns erhalten als Figur und als Person, da ist er wunderbar.« Als Aushängeschild und Repräsentant des FC Bayern entfalte Beckenbauer mit seinen vielen Kontakten am besten seine Fähigkeiten: »Ein Name wie Franz Beckenbauer steht überall auf der Welt für Qualität. Wir akquirieren Gelder, die sonst oft nicht machbar sind.« Dass der Präsident des Vereins FC Bayern und Aufsichtsratsvorsitzende der FC Bayern AG zugleich auch DFB-Vizepräsident und OK-Chef für die WM 2006 war, konnte für den FC Bayern ja nicht schlecht sein. Ein Nebeneffekt war zudem, dass die üblichen medialen Querschüsse des »Kaisers« umso mehr ihre Wirkung verfehlten, je weiter entfernt er vom Fokus des Entscheidungsgeschehens war.
Reibungsflächen gab es aber natürlich weiterhin, nicht nur im Verhältnis Hoeneß/Rummenigge versus Beckenbauer, sondern auch zwischen den beiden Vorstandsvorsitzenden Hoeneß und Rummenigge. Von einer wirklich freundschaftlichen Beziehung der beiden ehemaligen Bayern-Stars wurde kaum einmal etwas
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