Das Prinzip Uli Hoeneß
berichtet. Der mit seiner eingefrorenen Mimik zuweilen nahezu emotionsfrei erscheinende Rummenigge, der Härte und Effizienz zu seinem Markenzeichen und darüber immer mehr Profil entwickelt hatte, und der stets gefühlsgeladene Polterer Hoeneß, der mit weit ausholender Gestik und hochrotem Kopf den barocken FC Bayern repräsentierte, blieben jedenfalls für den Außenstehenden ein eigentümlich unharmonisches Paar. Was auch immer die beiden füreinander empfinden mochten – innige Liebe jedenfalls war es nicht. Immerhin blieb immer spürbar, dass sie nicht nur in dem Interesse, des »Kaisers« Macht und Einfluss in Grenzen zu halten, eine Basis für Übereinstimmung fanden, sondern auch in ihrem gemeinsamen Bestreben, »ihre« Bayern mit allen Mitteln zu stärken. Vielleicht drückt der Begriff »arrangierte Ehe« ihr Verhältnis am besten aus.
Wie sehr das einst unangreifbar scheinende Denkmal Beckenbauer inzwischen bröckelte, war unter anderem an Hoeneß’ immer respektloser werdenden Äußerungen abzulesen. »Alles, was die AG sagt, ist relevant«, stellte er etwa im April 2003 den sich einmischenden »Kaiser« ins Abseits, »alles andere sind Meinungen.« Kurz darauf äußerte er sich mit kaum verhohlener Häme über die Rangeleien im Bayern-Präsidium: »Wir tragen Meinungsunterschiede offener aus als andere. Dann heißt es gleich, wir mögen uns nicht. Nein, das ist nur eine ehrliche Streitkultur. Als Franz und Kalle Rummenigge 1991 ins Bayern-Präsidium gewählt wurden, sollten sie mich eigentlich zurechtstutzen. Stattdessen rauften wir uns wunderbar zusammen. Unsere Präsidiumssitzungen waren die schönsten Abende. Zwei Stunden redeten wir immer über Fußball, dann spielten wir Schafkopf.« Und nun kam der entscheidende Satz: »Schade, dass dies heute nicht mehr möglich ist, weil der Franz ja auf eigenen Wunsch aus dem Tagesgeschäft rausging.«
Uli Hoeneß betonte zwar immer wieder, dass zwischen ihm und Beckenbauer »alles ausgeräumt« sei und es regelmäßig hervorragende Gespräche gebe, aber auf kleine Gehässigkeiten gegenüber dem »Kaiser« mochte er denn doch nie ganz verzichten. Die Ursache mag darin liegen, dass er in seinem Leben eigentlich nur gegen Beckenbauer persönliche Niederlagen erlebt hatte. Da war der Streit zu Beginn seiner Karriere bei den Bayern, da war das Machtwort Beckenbauers bei der WM 1974, nach dem er auf der Reservebank hatte Platz nehmen müssen, da war die Kritik an der Personalpolitik des Teamchefs Beckenbauer in den achtziger Jahren, nach der sich der Bayern-Manager wie ein Schuljunge hatte abkanzeln lassen müssen. Der Uli rede recht viel, hatte Beckenbauer im Jahr 1985 aus der Position des Unangreifbaren geäußert: »Und wenn einer viel redet, ist auch viel Unsinn dabei.«
Eine richtige Nähe zwischen den beiden Weltmeistern von 1974 gab es wohl nie. »Privat hatten wir nie viel Kontakt«, beschrieb der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende Hoeneß sein Verhältnis zum Aufsichtsratsvorsitzenden Beckenbauer. »Ich weiß oft nicht, was er denkt und fühlt. Und umgekehrt. Wir leben in verschiedenen Welten. Manchmal habe ich das Gefühl, er entwickelt eine innere Distanz zum Verein.« Und wie dachte umgekehrt Franz Beckenbauer über Uli Hoeneß? Im Frühjahr 2004, als sich die erfolgreiche Hitzfeld-Ära bei den Bayern ihrem Ende zuneigte und Hoeneß mit dem Gedanken spielte, Beckenbauer nochmals als Interimscoach zu installieren, kehrte der laut »tz« den alten Leitwolf der siebziger Jahre heraus: »Der Uli Hoeneß kann mir den Schuh aufblasen … «
Und so ging das Hickhack weiter. Während Beckenbauer sich immer wieder mit dem Ruf nach neuen Spitzenspielern ins operative Geschäft einzumischen versuchte, wurde er von Hoeneß mit dem Hinweis auf die in der AG festgelegte Kompetenzverteilung zurechtgewiesen, manchmal sogar regelrecht abgewatscht. »Ich habe das Gefühl, dass der Franz nicht so genau merkt, was er sagt. Er ist als Aufsichtsrat für ganz andere Sachen verantwortlich.« Und je länger das Spielchen so lief, desto mehr bekam Hoeneß Schützenhilfe vom AG-Chef Rummenigge. Als Beckenbauer im April 2007 in der Presse wieder einmal seine Standardforderung nach einer offensiveren Transferpolitik lanciert hatte, beschwerte sich Rummenigge, solche Aussagen würden »nicht nur uns im Vorstand irritieren, sondern auch die Mitglieder der anderen Gremien wie Verwaltungsrat und Aufsichtsrat«. Und Hoeneß streute dann noch ein wenig Verbalgift hinterher mit
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