Das Prinzip Uli Hoeneß
habe signalisiert, dass man sich bei einer Ablöse von 25 Millionen Mark treffen könne. »Am nächsten Tag«, echauffierte sich Hoeneß, »ist er dann mit unserem Angebot bei den Dortmundern hausieren gegangen, und der Spieler sollte statt 25 auf einmal 30 Millionen Mark kosten. Solche Geschäftspraktiken sind mit dem FC Bayern nicht zu machen.« Die Borussia zahlte schließlich ca. 29 Mio. DM, obwohl die Bayern auf Bitten der Dortmunder nicht mehr mitgeboten hatten. Hoeneß tröstete sich mit der Behauptung, dass der Preis für Rosicky unvernünftig gewesen sei und er die Qualität des FC Bayern sowieso nicht zwingend verbessert hätte. Letztlich war die gescheiterte Verpflichtung Rosickys aber eben doch eine Niederlage. Dieser Ansicht war jedenfalls der »Spiegel«: »Die Reaktion beim Deutschen Meister erinnert an den Gleichmut des Führerscheinbewerbers, der durch die letzte Prüfung fällt und behauptet: Er gehe sowieso lieber zu Fuß.«
Die Bayern bewegten sich auf dem Transfermarkt auch weiterhin zu Fuß, da sie weder bereit noch in der Lage waren, im Millionenpoker um die Superstars mitzuhalten. So blieb im Frühjahr 2004 wieder einmal alles Werben umsonst, als Hoeneß das Mittelfeld-Ass Deco zu seinem Wunschkandidaten erkor. Der Portugiese mit brasilianischen Wurzeln hatte in der Champions-League-Saison 2003/04 als Spielmacher des späteren Siegers FC Porto für Aufsehen gesorgt und allseits Begehrlichkeiten geweckt, und deswegen kostete er zu viel. Hoeneß bemühte sich drei Jahre später erneut vergeblich um den inzwischen beim FC Barcelona kickenden Deco, der schließlich zum FC Chelsea wechselte.
Den umgekehrten Weg, von England nach Spanien, ging 2006 Ruud van Nistelrooy. Der Torjäger von Manchester United sagte den Bayern ab und heuerte für eine Ablöse von 15 Mio. Euro bei Real Madrid an. »Hätten wir das geboten, was ManU haben wollte, hätten wir den Spieler«, erklärte Hoeneß hinterher und verwies darauf, dass der FC Bayern sein Anfangsangebot noch um fast 50 Prozent erhöht habe. Doch ein Wettbieten um jeden Preis, brachte er wieder einmal seine Prinzipien ins Spiel, »würde der Philosophie des FC Bayern entgegenlaufen«. Der missglückte Transfer ärgerte Hoeneß umso mehr, als van Nistelrooy einen Wechsel an die Isar präferiert haben soll. »Er hat sich bedankt und gesagt, es sei eine sehr schwere Entscheidung gewesen«, erzählte Hoeneß. »Aber er hatte nicht mehr die Kraft, zu sagen: Nein, ich will zu Bayern.« Hoeneß bezog sich damit auf die Aussage van Nistelrooys, dass seine hochschwangere Frau in wenigen Tagen nicht mehr flugfähig sein werde und daher eine schnelle Entscheidung habe forcieren müssen. Offensichtlich bevorzugte die Dame das warme Madrid.
Vielleicht war das Werben um van Nistelrooy aber auch gar nicht ernst gemeint. Denn als der Transfer platzte, behauptete Hoeneß, er habe nur den vorhandenen Stürmern Makaay und Pizarro Druck machen wollen. Vermutlich war aber doch das Geld entscheidend. Nicht nur, weil Hoeneß seinen schwäbischen Antrieb zu Sparsamkeit nicht ablegen konnte, sondern weil er im Vergleich zu den Spaniern, Italienern und Engländern tatsächlich ein armer Schlucker mit leeren Hosentaschen war. Selbst die besten Bundesligaspieler – so etwa der 1987 von Bremen transferierte Rudi Völler – lagen oft außer Reichweite des Bayern-Geldbeutels, wenn internationale Spitzenklubs ins Bieter-Rennen einstiegen und neben den Transfermillionen auch noch mit Spitzengehältern zu weit besseren steuerlichen Bedingungen locken konnten.
Der Scheckheft-Täter
Der Spielerkäufer Hoeneß war zu dem Schicksal verdammt, auf internationalem Parkett nur als Transfer-Zwerg auftreten zu können. Da die für Stars von Weltklasseformat aufgerufenen Transfersummen nur mit größtem finanziellen Risiko zu stemmen gewesen wären, musste sich der vorsichtige Schwabe Hoeneß bei seinen Einkaufstouren auf dem Auslandsmarkt in der Regel mit Spielern begnügen, die vom Namen her eher der zweiten Garnitur zuzuordnen waren. National aber konnte er – zumindest solange, wie kein finanzstarker Verein aus dem Ausland auf der Matte stand – mit dem Selbstbewusstsein eines Riesen auftreten und die besten Spieler nach München verpflichten. Auf dieser Folie ist es zu sehen, wenn sein Verhalten stets changierte zwischen der hilflos-larmoyant wirkenden Protesthaltung gegenüber den europäischen Fußball-Großmächten à la Real Madrid und der kalten Arroganz des Mächtigen
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