Das Prinzip Uli Hoeneß
am Spielfeldrand.
Hoeneß’ Wutrede kommentierte Breitner später mit den Worten: »Das war die Reaktion eines Mannes, der Angst um seinen Posten hat.« Tatsächlich lag dieser Verdacht nahe. Die »Welt am Sonntag« vermutete, Hoeneß habe wohl befürchtet, ein Breitner als Macher im Präsidium hätte »den Einfluss des Managers Hoeneß radikal beschneiden können«. Präsident Hoffmann kommentierte: »Schade, dass Pauls Karriere mit so einem Misston zu Ende geht. Auch der Platzverweis bei der Asienreise und das ganze Drumherum hätte nicht zu sein brauchen.« Den Streit zwischen den beiden zu schlichten, sah er sich nicht in der Lage. So blieb es beim jähen Ende der langen Männerfreundschaft. »Innerhalb von dreißig Sekunden waren sechzehn Jahre erledigt«, sagte Breitner Jahre später, als ob er das Geschehen immer noch nicht begreifen könne.
Der Streit war so tief gegangen, dass die beiden fast zehn Jahre kein Wort mehr miteinander, sondern nur noch in den Medien übereinander sprachen. Vor allem Breitner attackierte in der »BamS« seinen ehemaligen Kumpel. Besonders bösartig war ein im Stil eines Nachrufs gehaltener Kommentar vom Oktober 1991 (»Der tiefe Fall des Uli H.«), in dem er die Entmachtung des Managers Hoeneß durch die beiden Vizepräsidenten Beckenbauer und Rummenigge als Fakt beschrieb: Hoeneß’ Aufgabengebiet sei auf die Tätigkeit eines »Geschäftsführers« reduziert, auf dem Transfersektor habe er allenfalls noch eine »beratende Funktion«. Erst als sich der »Geschäftsführer« und sein Kritiker einige Zeit später zufällig auf einem Flughafen trafen, beschlossen beide, ihren Zwist bei einem Abendessen zumindest sauber zu begradigen. Aber auch das war erwartungsgemäß nicht der letzte Akt in diesem Beziehungsdrama. Es folgte ein neues und noch heftigeres Zerwürfnis während der Daum-Affäre im Jahr 2000, als Breitner jegliche Solidarität mit dem so heftig wie nie in der öffentlichen Kritik stehenden Ex-Kumpel vermissen ließ.
Hoeneß war schwer angeschossen worden, als er die Drogengerüchte um den designierten Bundestrainer Daum genährt hatte, und nachdem Breitner sich auf die Seite der Hoeneß-Kritiker geschlagen hatte, schien die Beziehung endgültig am Ende. Bis dahin hatte Susi Hoeneß stets zwischen den beiden impulsiven Charakteren vermittelt. Hoeneß: »Paul hat manchmal gesagt, ich sei ein Arschloch. Dann hat er meine Frau angerufen und gefragt: ›Wie geht‘s dem Arschloch?‹ Aber jetzt hat meine Frau ihn eigentlich fallen gelassen, und da kaut er, glaube ich, schwer dran.« Später setzte er Breitner auseinander, dass er dessen Verhalten in der ganzen Affäre als »Katastrophe« empfunden habe. Erst nach Jahren fanden sie wieder zu einem einigermaßen normalen, freilich recht distanzierten Verhältnis, das weiterhin begleitet war von bissigen Kommentaren des »Bild«-Kolumnisten Breitner, der die Bayern – und damit natürlich auch Uli Hoeneß – immer wieder kritisierte, vor allem in puncto Transferpolitik. Eine Aussöhnung war erst erreicht, als Hoeneß seinen alten Weggefährten im Jahr 2007 als Berater in den Schoß der Bayern-Familie zurückholte. Seine Aufgabenfelder seien »Beratung bei Transfers, Spielerbeobachtung, Trainerbeobachtung«, erläuterte Hoeneß der Presse. Wichtiger als seine Beratungsqualitäten war aber womöglich die Tatsache, dass er fortan als journalistischer Heckenschütze ausgeschaltet war: Breitner musste für den neuen Job seinen Posten bei der »Bild« aufgeben.
In dem stets konfliktbeladenen Verhältnis zu Paul Breitner deuten sich wesentliche Charaktereigenschaften des Uli Hoeneß an. Erstens: Wenn Hoeneß um seine Macht fürchtete, zeigte er sich sowohl betroffen wie als gewiefter Taktiker der Macht. Zweitens: So verbissen er auch kämpfen konnte, blieb er dabei doch immer kompromissbereit und wurde kaum je unversöhnlich. Drittens: Selbst wenn er schwer angeschlagen war, bestand nie ein Zweifel, dass seine Loyalität zuletzt immer dem Wohl des Vereins galt. Viertens, und das kann als leitendes Prinzip des Machtmenschen Hoeneß gelten: Er suchte immer nach Wegen, den Kurs selbst bestimmen zu können. Uli Hoeneß erwies sich in allen Stürmern als ein wackerer Steuermann, ja als der wahre Kapitän des Bayern-Schiffes. Wenn andere den Kurs mitbestimmen wollten, ließ er sich zwar auf Korrekturen ein, nahm aber nie die Hand vom Steuerrad. »Ich bin kritikfähig ohne Ende«, behauptete er einmal in der für ihn typischen
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