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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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begabt, und ich wünschte mir, er würde seine Begabung besser nutzen.«
    »In die Politik zu gehen, kann doch sehr nützlich sein. Wenn man ehrlich ist. Und das ist Eric.«
    »Möglich. Leider ist Eric Republikaner, und ich nicht.«
    »Oh.«
    Megan seufzte. »Auf jeden Fall läuft es im Augenblick ganz gut. Ihm gefällt, was er macht, und mir gefällt, was ich mache. Wir sehen uns zwar nicht so häufig, wie es uns lieb wäre, aber wenn wir uns sehen, ist es toll.«
    Die Dunkelheit setzte ein. Überall blitzten Lichter auf – auf den Bojen, den Booten, den Häusern an der Küste. Auch Megan schaltete die Bootslichter ein.
    »Du siehst viel zu nett für einen Investmentbanker aus«, sagte sie.
    »So schlimm sind wir gar nicht.«
    »Ich weiß nicht. Eric hat mir erzählt, dass sie das letzte Viertel der Trainees rausschmeißen wollen. Damit macht man doch alle Teamarbeit kaputt, ich begreif das nicht.«
    »Bloomfield Weiss übertreibt ein bisschen«, sagte Chris. »Und wenn ich ehrlich bin, verdränge ich diesen Aspekt. Es ist ein harter Job. Aber ich glaube, ich packe ihn, und das macht mich ein bisschen stolz.«
    »Aber spekulieren Investmentbanker nicht mit dem Geld anderer Leute und zahlen sich unanständige Gehälter von den Gewinnen?«
    »Ganz so einfach ist es nicht.« Megan warf ihm einen Blick zu, der verriet, dass sie Ähnliches schon oft gehört hatte. Wahrscheinlich von Eric. »Nein, wirklich. Investmentbanken versorgen die Welt mit Kapital. Und die Welt braucht Kapital, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu schaffen.«
    »Also sind Wallstreet-Haie unermüdliche Helden im Kampf gegen die Armut der Welt?«
    »Nicht unbedingt.« Chris war nicht ohne Verständnis für ihre Auffassung. Sein Vater hätte ihr sicherlich beigepflichtet. Aber wenn er, Chris, bei Bloomfield Weiss Erfolg haben wollte, und das wollte er, dann musste er sich solche Gedanken aus dem Kopf schlagen. Und überhaupt, er wollte nicht mit ihr streiten. »Was machst du? Du lebst in Washington, nicht wahr?«
    »Ich studiere in Georgetown. Europäisches Mittelalter. Und bevor du irgendwas sagst, ich weiß, dass ich damit die Dritte Welt auch nicht rette.«
    »Gefällt es dir trotzdem?«
    »Es ist faszinierend. Wirklich faszinierend, aber auch frustrierend: Je mehr ich lese, desto weniger habe ich das Gefühl, die Sache zu verstehen. Wir können versuchen, die Welt zu sehen, wie sie vor tausend Jahren war, aber wir werden sie nie ganz verstehen.«
    Megan erzählte Chris von Karl dem Großen, seinen Gelehrten und Höflingen. Er hörte zu. Er hatte selbst Geschichte studiert, war aber dem Mittelalter stets aus dem Weg gegangen, weil es ihm zu fremd erschienen war. Bei Megan gewann es Realität. Außerdem machte es ihm Freude, ihr zuzuhören und sie dabei anzusehen.
    Als sie sich der Mündung der Bucht näherten, kam Eric herauf, um das Ruder wieder zu übernehmen. Er warnte die anderen, dass es ein bisschen kabbelig würde, sobald sie in die freien Gewässer des Sunds kämen, und er hatte Recht. Die Nachwehen des nächtlichen Sturms sorgten für eine raue See. Eric gab ein bisschen Gas, so dass das Boot von Welle zu Welle sprang. Vor ihnen, auf der anderen Seite des Sunds, leuchteten die Lichter von Connecticut.
    In der Dunkelheit waren sie auf allen Seiten von Lichtern umgeben: weißen, roten, grünen, pulsierenden, beständigen, beweglichen, ruhenden, vereinzelten und gehäuften. Eric konnte offensichtlich mit ihnen allen etwas anfangen. Der Mond war aufgegangen, dreiviertel voll, und verwandelte das stumpfe Grau des Meers in flüssiges Silber, dahinter zeichnete sich schwarz die Kontur der Küstenlinie ab. Eine eilige Wolke zog vorüber, intensivierte die Dunkelheit einen Augenblick, bevor sie über das Wasser entfloh.
    Chris kletterte die Stufen zum Achterdeck hinunter, wo die anderen schon einen ziemlichen Vorsprung in Sachen Alkohol hatten. Er war bisher bei einem Bier geblieben, während Lenka, Duncan, Ian und Alex schon mehrere Margaritas intus hatten. Unter der lärmenden Fröhlichkeit spürte Chris die Spannung. Alles war zu laut und zu persönlich, mit einem Anflug von Hysterie.
    Kein Wunder, dass die Situation bald aus dem Ruder lief.
    Natürlich ging es mit einer Kabbelei zwischen Lenka und Duncan los. Duncan sah in die Dunkelheit und sagte: »Das erinnert ein bisschen an Cape Cod, findest du nicht, Lenka?«
    »Mach dich nicht lächerlich«, sagte sie mit schwerer Zunge. »Was soll denn daran wie Cape Cod sein.«
    »Doch«, sagte Duncan.

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