Das Programm
wenige. Alle wussten, was vor sich ging. Allen war klar, dass er es nicht überleben würde. Und sie mieden ihn, als wäre sein Pech eine ansteckende Krankheit.
Herbie stand unter noch größerem Druck als Chris. Er verbrachte den größten Teil des Tages in seinem Büro und starrte auf die Monitore, in der Hoffnung, die kleinen Zahlen würden sich endlich so bewegen, wie sie es sollten. Er hatte einige Freunde im Hedge-Fonds in Greenwich, die er mehrmals am Tag anrief und die unablässig erklärten, der Markt stehe unmittelbar davor, sich wieder zu erholen. Das erzählte er Chris lang und breit und versicherte ihm, dass diese Burschen ungeheuer clever seien. Wenn Chris Zweifel an der Position äußerte, fuhr Herbie ihn an, das sei ein Riesengeschäft und er solle gefälligst daran glauben. Wer mit Herbie über etwas anderes sprechen wollte, erlitt Schiffbruch. Der Mann war reizbar und gefährlich.
Chris verstand nicht, warum das Management von Bloomfield Weiss nicht dem Beispiel der anderen Wallstreetfirmen gefolgt war und Herbie angewiesen hatte, die Position glattzustellen. Allerdings stand Bloomfield Weiss in dem Ruf, mehr Mumm zu haben als alle anderen Banken. Chris nahm an, er erlebe gerade den Beweis dafür. Ein weiterer Fehler.
Dann erschien im Wall Street Journal ein Artikel, in dem es hieß, Bloomfield Weiss sitze auf einem Verlust von fünfhundert Millionen Dollar. Als Chris den Artikel morgens am Schreibtisch las, wusste er, dass die Angaben nicht ganz exakt waren. Tatsächlich beliefen sich seine Verluste auf sechshundertundzwölf Millionen Dollar. Die Telefone standen nicht mehr still – Makler, Kunden, Journalisten wollten wissen, was dran war. Die Antwort war immer die gleiche: Kein Kommentar. Kein Kommentar. Kein Kommentar.
Herbie kam herein, umkreiste ein paar Minuten lang Chris’ Schreibtisch und wurde dann zu seinen Vorgesetzten gerufen. Chris verbrachte ein paar scheußliche Stunden an seinem Platz. Es gab nichts, was er tun konnte, nichts, was er sagen konnte. Kein Kommentar.
Um zwölf Uhr wurde er dann zu Simon Bibby zitiert, dem Chef der Londoner Filiale. Bei Bibby saßen Larry Stewart, der amerikanische Leiter der europäischen Rentenpapiere, und Herbie. Überflüssig zu erwähnen, dass sie alle wie Männer aussahen, die mehr als eine halbe Milliarde Dollar verloren hatten.
Bibby war Engländer, fünfundvierzig und knallhart. Larry war gewöhnlich freundlich zu Chris, was im Augenblick aber nicht der Fall schien. Und Herbie hatte diesen Ausdruck in den Augen. Einen Ausdruck, der zu Chris sagte: »Ich mach dich fertig, du hast keine Chance, du kommst nicht davon, also versuch es gar nicht erst.«
Bibby übernahm das Reden. Er sagte, er habe mit Sidney Stahl, dem Vorstandsvorsitzenden, gesprochen, der augenblickliches Handeln und eine Bereinigung der ganzen Angelegenheit verlangt habe. Dann fragte Bibby Chris, warum er sie über die Neubewertung seiner Position im Unklaren gelassen habe. Zunächst verstand Chris nicht. Dann wurde ihm klar, dass man Bibby erzählt hatte, die Verluste, die in den Berichten auftauchten, seien nicht real und würden außerdem durch nicht in voller Höhe ausgewiesene Gewinne von Derivate-Positionen ausgeglichen. Das traf nicht zu, und Chris hob an zu erklären, warum nicht. Herbie unterbrach ihn. Er blickte Chris direkt in die Augen und erklärte, er sei von ihm getäuscht worden und habe deshalb unwissentlich seine Vorgesetzten getäuscht.
Chris protestierte, aber Herbie war unerbittlich. Er zitierte aus Gesprächen, die nie stattgefunden hatten und erdrückendes Beweismaterial gegen Chris lieferten. Als dieser die beiden anderen Männer ansah, begriff er. Bibby starrte Chris an, als wäre er ein Schwerverbrecher, doch Larry, den Chris mochte und dem er vertraute, blickte angelegentlich auf seine Hände, den Tisch, auf alles, nur nicht auf Chris. Einer von den Vieren im Raum musste schuld sein an dem, was geschehen war. Und die anderen drei hatten beschlossen, Chris sollte es sein. Am leichtesten ließ sich das erreichen, indem man Herbies Geschichte Glauben schenkte.
Chris protestierte noch eine weitere Viertelstunde, bis der Justiziar mit einem zweiseitigen Schreiben erschien. Bibby teilte Chris mit, er sei fristlos entlassen, bekomme aber noch das Gehalt für ein halbes Jahr und die Zusicherung von Bloomfield Weiss, dass sie nicht gegen ihn prozessieren würden, wenn er dieses Schriftstück unterzeichne. Chris las es sorgfältig durch. Er
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