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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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verpflichtete sich darin, weder Journalisten noch andere über die Ereignisse in Kenntnis zu setzen und keine rechtlichen Schritte gegen Bloomfield Weiss zu unternehmen. Bibby reichte Chris einen Kugelschreiber und sagte, wenn er nicht augenblicklich unterschreibe, sähe er sich gezwungen, die Börsenaufsicht einzuschalten.
    Chris überkam ein jähes Gefühl der Ohnmacht. Es war, als hätte er mit diesem Augenblick gerechnet, seit er bei Bloomfield Weiss angefangen hatte. Er war kein Investmentbanker, und nun hatten sie es herausgefunden. Wie man die Sache auch drehte und wendete, er hatte die Transaktion begonnen. Er hatte sich Herbies Forderung gefügt und verdoppelt. Natürlich hatte er weder Herbie noch Bibby oder sonst jemanden hinters Licht geführt, aber Herbies Wort stand gegen das seine, und er wusste, dass Herbie gewinnen würde. Herbie war ein alter Hase in dem Geschäft und ohne Skrupel. Wenn es gegen Chris keine Beweise gab, dann erfand er sie eben. Bibby und Larry waren entschlossen, Herbie zu glauben. Die Wahrheit interessierte sie nicht, sie wollten an eine Lüge glauben, ihre Karriere hing davon ab. Was Chris längst ahnte, war nun offenkundig geworden: Er war nicht zum Investmentbanker geboren. Er hatte in diesem Zimmer nichts zu suchen. Also unterschrieb er.
    Bloomfield Weiss behauptete nicht direkt, er habe die Firma um sechshundert Millionen Dollar ärmer gemacht. Aber man machte ihm unmissverständlich klar, dass er entlassen worden war. Überall ging sein Name durch die englische Presse. Man wollte Interviews mit ihm machen, sein Telefon klingelte unaufhörlich, er wurde fotografiert. Er hielt sich an die Vereinbarung, die er unterschrieben hatte, und sprach mit keinem von ihnen, aber er war berühmt, berühmt als der Mann, der mehr als eine halbe Milliarde in den Sand gesetzt hatte.
    Ironischerweise bewegte sich der Markt dann doch in die erwartete Richtung, die Währungsunion fand statt und die Regierungsanleihen konvergierten. Einige Leute verdienten viel Geld. Bloomfield Weiss allerdings nicht. Auf Anordnung von Sidney Stahl stieß man die Positionen ab, realisierte die Verluste und ging zur Tagesordnung über.
    Chris versuchte das Gleiche. Jetzt endlich rief er die Headhunter zurück, die ihn seit einem Jahr Woche für Woche die Bude eingerannt hatten. Sie wollten nichts mehr von ihm wissen. Niemand wollte mehr was von ihm wissen. Er bekam keine Stellung. Er hätte es vielleicht ein bisschen intensiver versuchen können, aber das lag nicht in seiner Natur. Außerdem hatte er die Nase voll vom Investmentbanking. Also gab er auf.
    Gerade rechtzeitig kam Lenka und stellte ihn wieder auf die Füße. Gemeinsam gründeten sie Carpathian, und alles lief gut. Und jetzt, in diesem entscheidenden Augenblick, holte ihn das alles wieder ein.
    Allerdings mit einem Unterschied: Dieses Mal würde er nicht so mit sich umspringen lassen. Das schuldete er Lenka – und wohl auch sich selbst.
    Er straffte sich und schritt zuversichtlicher aus, als er über die Harley Street zum Büro zurück ging. Er würde versuchen, Rudy umzustimmen. Und wenn das nicht klappte, würde er sich etwas anderes einfallen lassen. Er war wild entschlossen.
    Wieder im Büro, nahm er sich das Portfolio vor. Der Fonds ließ ihm zwei Möglichkeiten, wenn sich ein Investor zurückziehen wollte: Entweder galt es, einen neuen Investor zu finden, der den Aussteiger ersetzte, oder sie mussten Anlagen verkaufen, um das nötige Geld aufzubringen. Ohne Lenka war nicht daran zu denken, einen neuen Investor aufzutreiben. Sie verfügte über die persönlichen Kontakte, und es war aussichtslos, wenn Chris versuchte, jemanden, den er nicht kannte, davon zu überzeugen, zehn Millionen Euro bei ihm zu investieren, wenn gerade das halbe Management ermordet worden war.
    Er würde also einige Anleihen verkaufen müssen. Aber welche?
    Im Fonds verfügten sie zwar nur über fünfundfünfzig Millionen Euro, doch das Portfolio war viel größer. Sie hatten Geld aufgenommen und die Geheimnisse des Repo-Marktes genutzt, um weit umfangreichere Positionen zu schaffen. Tatsächlich bestand der größte Teil des Portfolios aus einem neuen Konvergenzgeschäft, das Chris eingefädelt hatte. Dabei ging er von der Überlegung aus, dass die meisten mitteleuropäischen Länder in die Europäische Union aufgenommen würden. Daher hatte Chris die Regierungsanleihen von Ländern wie der Tschechischen Republik, Polen, Estland, Ungarn und Slowenien gekauft. Ein bisschen

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