Das Programm
eigener Bonus hing davon ab, dass Chris diesen Erwartungen gerecht wurde. Und das Zwei-Millionen-Pfund-Haus in Kensington, an das Mrs. Exler ihr Herz verloren hatte, hing von diesem Bonus ab.
Also schlug Herbie eine Verdoppelung der Position vor. Die Konvergenz sei unausweichlich, eine Verdoppelung würde die Gewinne verdoppeln und mithin auch den Bonus. Für Herbie war das ein Selbstläufer.
Chris’ Position war bereits riesig. Er wollte verkaufen, nicht kaufen. Herbie und Chris hatten eine Reihe heftiger Diskussionen, in denen Herbie Chris vorwarf, er sei ein Hasenfuß, und Chris tatsächlich wie einer klang. Hinterher fragte sich Chris immer wieder, warum er nachgegeben hatte. Damals hatte er gute Gründe. Herbie war Chris’ Vorgesetzter. Zwar war Chris sich sicher, dass die Sache den Bach runtergehen konnte, trotzdem hatte Herbie sicherlich Recht, dass es eine gute Chance für einen günstigen Ausgang gab. Doch es gab noch einen anderen Grund, warum Chris nachgab, und den konnte er sich nicht verzeihen. Trotz seiner beeindruckenden Bilanz als Händler hatte Chris noch immer das Gefühl, der polnische Parvenu aus Halifax zu sein, der Nobody, der sich durch Schule, Universität und Investmentbanking geschummelt hatte, der Junge, der dankbar sein musste, das tun zu dürfen, was er tat. Herbie Exler war ein mit allen Wassern gewaschener New Yorker Börsenmakler, ein Bloomfield-Weiss-Mann durch und durch, ein König des Marktes. Im entscheidenden Augenblick vermochte Chris sich einfach nicht gegen ihn durchzusetzen. Solche Schwächen waren Herbie fremd. Also verdoppelten sie.
Dann ging alles sehr rasch. Obwohl die Wallstreet sich einig war, dass der Markt sich erholen würde, blieb niemandem eine andere Wahl, als die Positionen glattzustellen und die Verluste zu begrenzen. Die Investmentbanken hatten viele Hundert Millionen Dollar in Computersysteme investiert, die den Vorständen verrieten, auf welchen Buchverlusten ihre Händler saßen, und als diese Verluste unablässig anwuchsen, kam die Anweisung von oben, die Unglückspapiere abzustoßen.
Also verkauften sie. Damit entwickelten sich die Kurse natürlich weiter gegen Chris. Und gegen den großen Hed ge-Fonds aus Greenwich. Der hatte alles auf dieses Geschäft gesetzt und konnte sich keinen Ausstieg leisten. A ber die Makler, die sich überschlagen hatten, ihm Geld zu leihen, überschlugen sich nun, ihr Geld zurückzufordern. So musste auch der Hedge-Fonds am Ende verkaufen.
Aber auch alle anderen verkauften. Es gab keine Käufer. Der liquideste Markt der Welt, der für Staatsanleihen, trocknete aus. Es kam zu einer weltweiten Krise, die nur deshalb nicht völlig außer Kontrolle geriet, weil die amerikanische Zentralbank die großen internationalen Investmentbanken zur Rettung des Hedge-Fonds bewog.
Für Chris waren es furchtbare Tage. Seine Verluste waren astronomisch geworden, und es gab absolut nichts, was er dagegen tun konnte. Er hätte selbst dann nicht verkaufen können, wenn Herbie ihn gelassen hätte; seine Position war einfach zu groß für den Markt. Er blieb auf ihr sitzen.
Jeder Tag war ein Albtraum, und von Tag zu Tag wurde es schlimmer. Abends notierte er den Buchverlust, bevor er nach Hause ging. Nachts versuchte er, die Position zu vergessen, doch ohne Erfolg. Keine zehn Minuten mehr konnte er sich auf ein Buch oder eine Sendung konzentrieren, ohne dass ihm der Gedanke an seine Verluste die Kehle zuschnürte. Ein paar Mal versuchte er es mit Betrinken, aber auch das brachte nichts. Der Morgen danach war nur umso schrecklicher. Wenn er an seinen Schreibtisch zurückkehrte, musste er feststellen, dass der Markt zu der ohnehin schon gigantischen Verlustziffer noch ein paar Millionen hinzugefügt hatte.
Am schlimmsten war für ihn der Kontrollverlust. Es war nicht das erste Mal, dass sich der Markt gegen ihn entwickelte, aber es war ihm bisher immer gelungen, auszusteigen und von vorn anzufangen. Dieses Mal war es anders. Er fühlte sich, als führe er in einem schnellen Auto einen Berg hinunter und wäre auf Glatteis geraten. Der Wagen rutschte, die Räder fanden keinen Halt, und der Abgrund rückte näher und näher. Nur dass es Tage, nicht Sekundenbruchteile dauerte, bis er ihn erreichte.
Chris versuchte, sich professionell zu verhalten. Von morgens um sieben bis abends um acht setzte er eine undurchdringliche Miene auf. Er bemühte sich, jedem ein Lächeln zu zeigen, der einen Witz riss oder auch nur Hallo sagte. Aber das waren nur
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