Das Programm
Wertpapierhändler geworden. Es gibt zwei Arten von Händlern: die Glücksspieler und die Prozentspieler. Die Glücksspieler gehen große Risiken ein, die große Gewinne versprechen. Die besten von ihnen können erstaunliche Gewinne erzielen, laufen aber auch Gefahr, riesige Verluste einzufahren. Die Prozentspieler gehen kleinere Risiken ein, die sie überschauen und im Griff behalten können. In der Regel machen sie kleinere, aber häufigere Gewinne. Chris gehörte zur letzteren Kategorie. Monat für Monat erzielte er Gewinne, kaum jemals hatte er einen negativen Monat. Er tat Wunder für die Bilanz des Händlerabteilung und fürs Budget. Auf den guten alten Chris war Verlass, ein paar Hundert Riesen platzierte er immer auf der Habenseite.
Bei seinen Vorgesetzten stand er hoch im Kurs. Sein unmittelbarer Chef, ein drahtiger, hyperaktiver Amerikaner namens Herbie Exler, war ein Glücksspieler. Er ermutigte Chris, die Größenordnungen seiner Transaktionen zu steigern. Die Logik dahinter war simpel. Wenn Chris mit einer Position von einhundert Millionen Dollar einen Gewinn von zweihunderttausend Dollar erzielen konnte, warum gab man ihm dann nicht lieber eine Position von fünfhundert Millionen oder einer Milliarde? Mit Zaudern und Zagen erhöhte Chris die Größenordnung seiner Transaktionen, aber es klappte.
Chris handelte mit europäischen Rentenpapieren. Das sah so aus, dass er beispielsweise deutsche Staatsanleihen für hundert Millionen Mark kaufte und eine gleichwertige Position an französischen Anleihen verkaufte, in der Erwartung, dass sich die Beziehung zwischen den beiden verändern würde. Dabei bewies Chris ein feines Gespür für die Veränderungen zwischen den europäischen Märkten, und er begriff, was es hieß, wenn die großen globalen Investoren, die zumeist Kunden von Bloomfield Weiss waren, ihr Geld von einem Land auf das andere verlagerten.
Mit dem Nahen der Wirtschafts- und Währungsunion beherrschte ein Geschäft alle anderen. Man bezeichnete es als »Konvergenzhandel«. Die Theorie war einfach, zu einfach. Wenn die Währungen von Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Deutschland und all den anderen in den Euro eingingen, so dachte man, und wenn der Zinsfuß für die gesamte Eurozone von der Europäischen Zentralbank festgesetzt würde, dann müssten sich die Zinsraten für die Anleihen aller dieser Staaten weitgehend angleichen. Wenn also die italienischen Anleihen zwei Prozent mehr als die deutschen brachten, dann kaufte man italienische und verkaufte deutsche, weil man damit rechnete, dass die Geburtsstunde des Euros einen hübschen Kapitalgewinn bringen würde. Denn dann würden die italienischen Anleihenrenditen auf das deutsche Niveau absacken und die italienischen Kurse steigen.
Es war ein Selbstläufer. Chris stieg groß ein, wie die ganze Wallstreet – und andere Anleger auch. Besonders ein bedeutender Hedge-Fonds in Greenwich, Connecticut, stürzte sich auf das Geschäft, und zwar in extremem Umfang. Er lieh sich das Vielfache des eigenen Kapitals, um europäische Staatsanleihen im Wert von vielen Milliarden Dollar zu kaufen.
Zunächst ging alles gut. Es gab hübsche Kapitalgewinne für Chris, den Hedge-Fonds, für alle. Doch dann, als sie alle im Sommerurlaub waren, kam Russland seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach und verursachte das große Zittern auf den Finanzmärkten der Welt. Das hatte zwar keine direkten Auswirkungen auf die Währungsunion, bewirkte aber das, was der Markt eine »Flucht in die Qualität« nennt. Nervöse Investoren suchten Werte, die sie für besonders sicher hielten. Sie kauften deutsche Anleihen und keine italienischen, spanischen, portugiesischen oder französischen.
Die Buchgewinne wurden zu Buchverlusten. Theoretisch hätte das kein Problem sein dürfen: Sobald sich die Angst legte, musste sich die Konvergenzentwicklung unaufhaltsam fortsetzen. Doch Chris war nervös. Er wollte seinen Verlust realisieren, um später erneut zu kaufen, wenn sich die Lage beruhigt hatte. Nun hatte Chris aber eine große Position, und der Verlust hätte mehrere Millionen Dollar betragen. Damit hätte er praktisch alle Gewinne geopfert, die er im Laufe des Jahres erzielt hatte. Daher sprach er zunächst mit Herbie Exler.
Herbie wurde sauwütend. Er hatte gerade seinem eigenen Chef Larry Stewart berichtet, Chris’ derzeitige Gewinne seien im Sack, und er könne sich darauf verlassen, dass es in den restlichen Monaten des Jahres so weitergehen werde. Herbies
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