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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Flüssigkeit, bevor er antwortete. Es war schmerzlich, darüber zu sprechen, aber er wollte es. Er wollte über Lenka sprechen.
    »Hast du gewusst, dass ich bei Bloomfield Weiss rausgeflogen bin?«
    »Nein.«
    »Den Wirtschaftsteil der Zeitung liest du offenbar nicht.«
    »Ich kann Besseres mit meiner Zeit anfangen.«
    Chris lächelte. Das stimmte. Es gab Millionen von Menschen, die nie von ihm gehört hatten, die noch nicht einmal von Bloomfield Weiss gehört hatten. Leider waren es nicht die, die Jobs für ihn hatten.
    »Nun, man hat mich gefeuert, weil ich sechshundert Millionen Dollar verloren habe.«
    Megan blickte ihn ungläubig an. »Wow!«
    »Genau. Wow! Es stand in allen Zeitungen. Mich traf keine Schuld, aber niemand hat mir geglaubt.«
    »Ich glaub dir.«
    Chris lächelte. »Danke. Schade, dass ich dich damals nicht gekannt habe, oder Leute wie dich. Von denen, die ich kannte, dachten alle, es sei meine Schuld.« Gedankenverloren schwieg er einen Augenblick. »Ich habe versucht, eine andere Stelle als Wertpapierhändler zu kriegen. Ich verstand mich auf das Geschäft und dachte, jeder wüsste das. Aber da täuschte ich mich. Zwei Wochen nach meiner Entlassung hat Tamara mit mir Schluss gemacht. Erinnerst du dich an Tamara?«
    Megan schüttelte den Kopf.
    »Du bist ihr einmal begegnet. Auf Erics Party, eigentlich ist es gut, dass du dich nicht an sie erinnerst. Na ja, jedenfalls dachte ich damals, sie sei eine tolle Frau. Ich hielt mich für einen Glückspilz. Als sie mich abservierte, nachdem mich die Finanzwelt abserviert hatte, kam ich mir vor wie ein ertappter Hochstapler. Ich gab auf.« Chris warf Megan einen raschen Blick zu, um zu sehen, ob sie ihm noch zuhörte. Sie tat es. Eigentlich hatte er über Lenka sprechen wollen, doch erzählte er von sich selbst. Und er merkte, dass es ihm gut tat.
    »Ein paar Wochen lang blies ich Trübsal, sah keine Menschenseele, abgesehen von Duncan, las Zeitungen, guckte fern und schlief. Ich schlief unheimlich viel. Dann beschloss ich, mir die Welt anzusehen. Ich hatte eine hübsche Stange Geld gespart und hielt es für eine gute Idee, das Weite zu suchen. Also kaufte ich mir ein einfaches Ticket nach Indien.
    Indien reizte mich seit langem, ohne das ich recht wusste, warum. Jetzt hoffte ich, dass ich mich in einem exotischen Land selbst finden würde. Wenn ich kein junger, vielversprechender Investmentbanker war, wer war ich dann?
    Indien war ein kompletter Reinfall. Für jemanden, der allein ist und sich elend fühlt, gibt es keinen ungeeigneteren Ort. Die ganze Zeit habe ich kaum mit jemandem gesprochen. Das Taj Mahal habe ich an einem wolkenverhangenen Tag gesehen und kann mich nur erinnern, dass ein schreckliches Gedränge herrschte und dass es schwierig war, eine Flasche Mineralwasser zu ergattern. In irgendeinem gottverlassenen Nest in Rajasthan blieb ich dann hängen. Egal, wie lange ich vor dem Fahrkartenschalter anstand, schien es unmöglich zu sein, einen Platz im Zug zu ergattern. Ich wurde krank. Ich meine, mich zu erinnern, welche Cola das Übel angerichtet hat. Es war in einem Ort namens Jaipur. Als Tourist wird dir eingeschärft, nichts zu trinken, wo Eis drin ist, weil es aus verseuchtem Wasser sein kann. Ich wurde sehr krank. Ich konnte nichts essen, hatte kaum die Kraft zu trinken und lag in einem schmutzigen, baufälligen Hotel. Irgendwie quälte ich mich nach Delhi, von wo aus ich nach England zurückflog.
    Als ich hier ankam, war ich noch immer krank. Ich ging zum Arzt, ließ ein paar Untersuchungen über mich ergehen, nahm Medikamente und legte mich ins Bett. Meine Mutter rief andauernd an. Sie machte sich Sorgen um mich, aber ich sagte ihr, dass alles in Ordnung sei. Sie glaubte mir nicht. Eines Tages stand sie vor meiner Tür. Wir hatten einen Mordsstreit. Sie wollte mich mit nach Halifax nehmen, um mich besser pflegen zu können, aber ich weigerte mich. Weinend ist sie wieder abgereist.«
    »Warum bist du nicht mitgefahren?«, fragte Megan.
    »Sturheit. Dummheit. Ich habe nicht das Geringste gegen meine Mutter. Im allgemeinen kommen wir gut miteinander aus. Sie ist eine starke Frau, und ich verdanke ihr eine Menge. Sie hat mich in dem Glauben erzogen, dass ich es zu etwas bringen würde in der Welt. Ich glaube, das war mein Problem. Von ihr ermutigt, habe ich meine ganze Jugend damit verbracht, meine Befreiung von Halifax zu planen. Wäre ich zurückgegangen, hätte ich damit mein Scheitern eingestanden, nicht nur vor mir, sondern auch vor

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