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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Mafia. Wir haben ihn verhaftet, aber es gibt ein Problem. Bei der Gegenüberstellung war sie sich nicht mehr sicher. Außerdem hat er – wie sagen Sie noch? – ach ja, ein Alibi. Richtig?«
    »Alibi, richtig«, sagte Chris.
    »Es könnte falsch sein. Wir gehen der Sache noch immer nach.«
    »Glauben Sie, dass der Mörder ein Tscheche ist?«
    »Die Art, wie er das Messer gebraucht hat, lässt auf einen Profi schließen. Leider haben wir ein paar Profikiller in Prag. Wahrscheinlich war es einer von ihnen. Können Sie sich irgendein Motiv denken?«
    Chris wusste, dass Karásek an Carpathians Investitionen dachte.
    »Nein«, antwortete er.
    »Sind Sie sicher, dass Miss N ě me č ková keine Geschäfte in der Tschechischen Republik tätigte?«
    »Wir besitzen eine CEZ-Bond-Position im Wert von zwei Millionen Euro und etliche Anleihen Ihrer Regierung.« CEZ war die staatliche Elektrizitätsgesellschaft, also kaum das Zentrum einer kriminellen Vereinigung. »Abgesehen davon hatten wir vor, ein Büro in Prag zu eröffnen, aber ich glaube nicht, dass das irgendjemanden gestört hat. Haben Sie mit Jan Pavlík gesprochen?«
    »Ja, aber da ist nichts bei rausgekommen.« Er hielt inne. »Haben Sie sonst noch eine Idee, Mr. Szczypiorski?«
    Marcus und Alex waren eine Pandorabüchse, die Chris im Augenblick noch nicht öffnen wollte.
    »Nein. Nichts.«
    Karásek schien nicht überrascht zu sein. »Okay. Vielen Dank für den Anruf. Auf Wiederhören.«
    Chris legte den Hörer auf. Nichts. Sie hatten nichts gefunden. Chris glaubte nicht recht an die Identifizierung. Je mehr er darüber nachdachte, desto fester war er davon überzeugt, dass der Schlüssel zu Lenkas Ermordung in London oder vielleicht in New York zu suchen war, aber auf keinen Fall bei der ukrainischen Mafia in Prag.
    Er starrte auf die Papiere, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. Sein Portfolio, das ihn verhöhnte. Wenn Amalgamated Veterans sein Geld tatsächlich zurückzog, was sollte er dann abstoßen?
    Es war so gut wie unmöglich, die Eureka-Telecom-Position noch an Bloomfield Weiss zu verkaufen, nachdem er Ian dermaßen verprellt hatte. Er prüfte die Preise bei anderen Brokern. Sie bewegten sich alle auf dem Niveau von Bloomfield Weiss, abgesehen von Gurney Kroheim, der den Preis für einundneunzig zu zweiundneunzig festsetzte. Aber Chris wusste, dass er bei der Firma die zehn Millionen nie zu diesem Kurs loswerden würde. In Wahrheit war Bloomfield Weiss der Markt für diese Bonds, und Bloomfield Weiss wollte sie nicht kaufen.
    Was konnte er sonst noch verkaufen?
    Sie hatten vier relativ kleine Positionen in Junk-Bonds, die Lenka gekauft hatte, dazu ein paar seriösere Emitten den wie CEZ – alles solide Gesellschaften mit soliden E missionsprospekten. Er dachte an seine eigene große Position in Regierungsanleihen. Die war im Kielwasser der russischen Ereignisse in den Keller gegangen, aber Chris war sich sicher, dass sie sich wieder erholen würde. Es war der falsche Zeitpunkt für einen Verkauf. Es hätte gegen alle seine Grundsätze verstoßen, seine gute Position abzustoßen und seine schlechte zu behalten.
    Dann gab es noch das Problem der Bewertung. Der Fonds wurde einmal im Monat neu bewertet. Der Februartermin war bereits morgen. Theoretisch stand der Kurs für die Fünfundzwanzig-Euro-Position auf achtundachtzig. Aber er wusste, dass der wirkliche Preis, der Preis, zu dem er die Bonds tatsächlich verkaufen konnte, eher bei siebzig lag. Das waren siebeneinhalb Millionen Verlust. Chris verzog gequält das Gesicht. Die Investoren würden mächtig zu schlucken haben an dem Brocken.
    Aber er würde sich auf den Preis einlassen müssen. Wusste er doch nur zu gut, was geschieht, wenn man seine Verluste nicht sofort offen legt. Dass wollte er nicht noch einmal erleben. Wenn er im Übrigen Rudy zu einem höheren Kurs aussteigen ließe, wäre das unfair gegenüber den anderen Investoren, die ihr Geld im Fonds ließen. Wenn Rudy unbedingt verkaufen wollte, musste er eben seinen Verlust realisieren und sich damit abfinden. Und Chris würde beten müssen, dass der Fonds die Konsequenzen überstand.
    Chris lehnte sich in seinem Stuhl zurück und atmete tief durch. Das alles erschien ihm allzu vertraut. Eine große Position, die aus dem Ruder lief und alles mit in den Abgrund riss. Hundertmal konnte er sich sagen, dass es nicht seine Schuld war, wie er ja auch das letzte Mal nichts dafür gekonnt hatte. Es half nichts, er musste den Tatsachen ins Auge sehen.

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