Das Programm
»Hältst du das nach diesem Freitag wirklich noch für nötig?«
»Es geht um Lenka.«
»Auch über Lenka haben wir schon gesprochen.«
»Ich war am Freitagabend in ihrer Wohnung und hab mir ihre E-Mails angesehen. Da war eine an dich und eine an Marcus.«
»An Marcus? Was stand drin?«
»Ich glaube nicht, dass wir das am Telefon besprechen sollten. In einer halben Stunde bei Ponti.«
»Hör mal, Chris, ich kann meinen Kunden nicht einfach sitzen lassen!«
»Du kannst, Ian. Du musst mit mir sprechen.«
Dieses Mal kostete es Chris eine halbe Stunde, um hinzukommen. Um halb zehn an einem Montagmorgen war das Café leer. Die Berufstätigen waren schon bei der Arbeit, und für die Müßiggänger war es noch zu früh. An einem der Tische saß Ian bei Cappuccino und Zigarette und flirtete mit einer hoch gewachsenen atemberaubenden Kellnerin von etwa eins achtzig. Sein Lächeln verschwand, als er Chris erblickte. Die Kellnerin warf Chris einen bitterbösen Blick zu, weil er unterbrach, was so hoffnungsvoll begonnen hatte, und verzog sich. Chris trug es mit Fassung und nahm Ian gegenüber Platz.
»Also, raus mit der Sprache. Was ist mit Marcus?«
Ian nahm einen langen Zug von seiner Zigarette und streifte die Asche sorgfältig im Aschenbecher ab, bevor er antwortete. »Wie du wahrscheinlich weißt, ist er Alex’ Bruder. Er hat Lenka aufgesucht, weil er Genaueres über Alex’ Tod wissen wollte.«
»Und was hat sie ihm erzählt?«
»Ich weiß nicht. Hast du die E-Mail gesehen, die sie ihm geschickt hat?« Ian konnte bei dieser Frage seine Nervosität nicht ganz verbergen.
»Was stand denn deiner Meinung nach drin?«
»Das weiß ich nicht! Deshalb frag ich dich ja!« Ians Ungeduld wuchs.
Chris schwieg einen Augenblick und genoss Ians Unbehagen. »Es hieß darin, sie habe ihm etwas Wichtiges über Alex’ Tod mitzuteilen.«
»Aber Genaueres hat sie nicht geschrieben?«
»Nein, sie wollte sich mit Marcus treffen, um es ihm persönlich zu sagen.« Bei diesen Worten entspannte sich Ian sichtlich. Allerdings nur einen Augenblick lang. »Es gibt eine Antwort von Marcus. Da schreibt er, dass er sie anrufen will.«
»Aber du weißt nicht, ob er es getan hat?«
»Nein.«
Ians Nervosität kehrte zurück.
»Es gibt auch eine E-Mail von Lenka an dich, in der sie ankündigt, dass sie Marcus über etwas informieren will. Und du hast sie gebeten, es nicht zu tun.«
»Richtig.«
»Worum ging es?«
Ian überlegte einen Augenblick. »Um das, was wirklich passiert ist, natürlich. Dass Duncan Alex geschlagen hat und dass der über Bord gegangen ist. Dass Duncan für seinen Tod verantwortlich war.«
»Und was hat dich daran gestört? Dir liegt doch nicht viel an Duncan, oder?«
»Darum geht es nicht. Wir würden alle in Teufels Küche kommen. Es war idiotisch von Lenka, auch nur daran zu denken.«
»Glaubst du, sie ist deshalb umgebracht worden?«
Ian sah ihn spöttisch an. »Natürlich nicht. Willst du damit andeuten, dass ich sie umgebracht habe? Mein Gott, ich habe mit ihr geschlafen!«
»Ollie sagt, dass Lenka die letzten Tage vor ihrem Tod keine Anrufe mehr von dir entgegennehmen wollte.«
»Das stimmt. Ich war wütend über die Geschichte mit Marcus. Und sie war wütend auf mich. Aber das war ganz normal. Du kennst doch Lenka. Bei ihr brennen doch leicht mal die Sicherungen durch.«
»Die Beerdigung ist am Mittwoch. Gehst du hin?«
Ian schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«
»Kann nicht weg«, sagte Ian.
Chris stand auf und gab sich keine Mühe, seine Verachtung zu verbergen. »Ein feiner Freund bist du, wirklich!«
Ian kniff die Augen zusammen, warf ihm einen zornigen Blick zu und sagte: »Verpiss dich, Chris.«
Chris war noch immer wütend, als er wieder ins Büro kam. Ian hatte eine Art an sich, die ihn jedes Mal auf die Palme brachte. Er wusste, dass es dumm war. Aus der verdammten Eureka-Telecom-Position kam er nur heraus, wenn er Bloomfield Weiss überredete, die Bonds zurückzukaufen. Und wenn er es nicht schon am Freitag vermasselt hatte, dann war es ihm jetzt ganz bestimmt gelungen.
Aber was machte ihn so wütend?
Offenbar setzte ihm die Entdeckung, dass Ian ein Verhältnis mit Lenka gehabt hatte, doch mehr zu, als er gedacht hatte. War er vielleicht wirklich eifersüchtig, wie Megan angedeutet hatte? War er sauer, weil Ian Erfolg gehabt hatte, wo ihm selbst der Mut gefehlt hatte?
Er war bemüht, die Frage objektiv zu betrachten. Mit einiger Sicherheit konnte er
Weitere Kostenlose Bücher