Das Programm
EUTEN GEHÖREN , DIE AN B ORD WAREN , ALS MEIN BRUDER UMS LEBEN KAM . SIND SIE BEREIT , MIR ZU ERZÄHLEN , WAS DAMALS WIRKLICH GESCHEHEN IST ?
M ARCUS
Chris starrte auf die Nachricht. Er hatte Marcus versprochen, ihn über Alex’ Tod zu informieren. Was durfte er ihm erzählen?
Das Problem war, dass er keine Ahnung hatte, was Marcus bereits wusste. Megan vermutete, Lenka werde ihm berichtet haben, dass Duncan Alex ins Wasser gestoßen hatte, und Ian hatte bestätigt, dass Lenka das vorhatte. Doch was sie tatsächlich zu ihm gesagt hatte, wusste Chris nicht. Und selbst wenn sie Marcus von Duncan erzählt hatte, was würde es Marcus nutzen, wenn er zur Polizei ginge? Nach Lenkas Tod gäbe es keine Beweise mehr, es sei denn, Chris würde sie ihm jetzt liefern. Aber das hielt Chris für keine gute Idee.
Hastig begann er, seine Tastatur zu bearbeiten.
M ARCUS ,
L EIDER KANN ICH IHNEN NICHT IM EINZELNEN MITTEILEN , WAS PASSIERT IST . ABER SIE DÜRFEN MIR GLAUBEN , DASS DER T OD I HRES B RUDERS WIRKLICH EIN U NFALL WAR . W AS HAT I HNEN L ENKA GESAGT , BEVOR SIE STARB ? W ENN ES GEHT , WÜRDE ICH MICH GERNE MIT I HNEN UNTERHALTEN . K ÖNNTEN S IE MIR I HRE T ELEFONNUMMER UND A DRESSE GEBEN ? O DER SICH UNTER UNTENSTEHENDER N UMMER MIT MIR IN V ERBINDUNG SETZEN ?
Chris unterzeichnete und gab eine Hand voll Telefonnummern an: Privat, Firma, Fax und Handy. Dann schrieb er noch seine Adresse auf und schickte die E-Mail ab. Marcus’ Furcht um seine Sicherheit ließ auch Chris nicht unbeeindruckt. Er musste herausfinden, was Marcus herausgefunden hatte und was er mit dieser Information anzufangen gedachte.
8
Der Mittwoch war entsetzlich. Da es die Möglichkeit gab, nach Prag zu fliegen, an Lenkas Beerdigung teilzunehmen und am selben Tag zurückzufliegen, hatten sie so gebucht. Duncan trug sein Elend zur Schau. Chris’ Freude, Megan wiederzusehen, erhielt einen Dämpfer, weil sie sehr zurückhaltend wirkte. Und natürlich nahm der Anlass sie auch mit. Den größten Teil des langen Reisetages verbrachten sie schweigend oder mit nichtssagendem Smalltalk.
Vom Flughafen Ruzyn nahmen sie ein Taxi nach Molnik, ungefähr dreißig Kilometer nördlich von Prag, einer kleinen mittelalterlichen Stadt am Zusammenfluss von Moldau und Elbe. Sie wurde von einer imposanten Burg überragt und lag inmitten von Weinbergen. Doch das Krematorium war ein moderner Zweckbau und schrecklich deprimierend. Die vielen Trauergäste, meist in Lenkas Alter, tauschten nur flüchtige Grüße aus, und ihre Eltern waren noch immer völlig verstört. Es gab keinen Gottesdienst, keine Musik, nur eine Trauerrede von einer Freundin. Obwohl Chris kein Wort verstand, spürte er die Trauer.
Von diesem Augenblick abgesehen, war Chris überrascht, wie wenig er während der Trauerfeierlichkeit empfand. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass Lenka in dieser hübschen kleinen Stadt aufgewachsen war, viel schwerer, als sie sich im Londoner Büro oder auch in den Straßen von Prag vorzustellen. Obwohl er wusste, dass in dem Sarg ihr Leichnam lag, hatte er nicht das Gefühl, dass die Lenka, die er kannte, sich dort befand. Er wusste nicht genau, wo sie war, aber dass sie nicht dort war, wusste er.
Dann war die Feierlichkeit, soweit man überhaupt von einer sprechen konnte, zu Ende, und nach einem kurzen, traurigen Gespräch mit Lenkas Eltern, in dessen Verlauf Chris ihnen klar machen konnte, dass sich die Anwälte von Carpathian um Lenkas Angelegenheiten in London kümmern würden, waren die drei froh, in das Taxi klettern zu können, das sie zum Flughafen brachte.
In Stansted nahm Megan einen Zug nach Cambridge zurück, während Chris und Duncan in die Gegenrichtung, zur Liverpool Street, fuhren. Sie saßen einander gegenüber und starrten hinaus in das nächtliche Essex, das am Fenster vorbeihuschte, während sich ihre Spiegelbilder hin und wieder in den hellen Lichtern eines Bahnhofs auflösten.
»Vielen Dank, dass du morgen zum Essen mit Khalid kommst«, sagte Duncan.
»Kein Problem.«
»Leider schaff ich es nicht. Mir ist etwas dazwischen gekommen.«
»Macht auch nichts«, sagte Chris, obwohl er in Wahrheit etwas verärgert war. Da nahm er die Mühe auf sich, mit Duncans Kunden essen zu gehen, aber Duncan selbst hatte keine Zeit.
»Kennst du übrigens einen gewissen Marcus?«, fragte Chris.
»Marcus? Glaube nicht. Halt, gibt es nicht einen Marcus Neale bei Harrison Brothers?«
»Nein, den mein ich nicht. Es geht um einen Amerikaner.
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