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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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erzählt? Warum hast du so getan, als kennst du ihn nicht?«
    Duncan seufzte. »Nachdem ihr euch alle an das Versprechen gehalten hattet, wollte ich nicht zugeben, dass ich es gebrochen hatte. Dass ich erzählt hatte, was wirklich passiert ist. Ich hoffte, Marcus würde sich damit zufrieden geben und die Sache auf sich beruhen lassen.«
    »Und warum hast du es nicht abgestritten?«
    »Es war zu spät. Lenka hatte es ihm bereits erzählt. Abgesehen davon hatte er ein Recht, es zu wissen.«
    Er hatte ein Recht, es zu wissen. Lenkas Worte. Gut, jetzt wusste er es. Und Chris hatte keine Ahnung, was Marcus mit seinem Wissen anfangen würde.
     
    Den ganzen nächsten Tag verbrachte Chris im Büro, nur mit einer kurzen Unterbrechung, um mit Duncans Kunden Khalid in einem Restaurant am Devonshire Square in der City zu Mittag zu essen. Khalid verspätete sich um zwanzig Minuten, strahlte aber über das ganze Gesicht, als er endlich kam. Er mochte ungefähr in Chris’ Alter sein, war elegant gekleidet, trug einen kleinen schwarzen Schnurrbart, hatte freundliche braune Augen und ein bereitwilliges Lächeln. Es folgte der übliche Börsen-Smalltalk. Wie sich herausstellte, war Khalid ein Freund von Faisal, dem Saudi in Chris’ Traineeprogramm, der jetzt offenbar einen großen multinationalen Investmentfonds in der Golfregion verwaltete. Die Kellnerin kam, und Khalid flirtete ausgiebig, bevor er seine Seezunge bestellte, die er auf ganz bestimmte Weise zubereitet haben wollte. Kein Wein.
    Khalid fragte nach dem Hochprozenter-Markt in Mitteleuropa, und Chris antwortete ihm nach bestem Wissen. Das Problem bestand darin, dass es noch nicht viele Bonds gab, unter denen man wählen konnte, und lediglich drei, die ihm Chris guten Gewissens empfehlen konnte.
    Die Seezunge kam und fand Khalids Zustimmung. »A ber Sie selbst investieren doch nicht in Hochprozentern, oder?«, fragte er.
    Chris berichtete ihm von seinen Staatsanleihen: den Forint, Zloty, Kronen, Kroon und Lat, mit denen er täglich zu tun hatte. Khalid war fasziniert und stellte ziemlich intelligente Fragen. Vor dem Euro war er ebenfalls auf dem kontinentaleuropäischen Rentenmarkt tätig gewesen, und offenbar mit einigem Geschick. Während Chris dem anderen von seinen Erfahrungen erzählte, bemerkte er, dass ihm die Jahre intensiver Aktivität auf diesem Markt recht gründliche Kenntnisse beschert hatten.
    Nach dem Kaffee bestand Khalid darauf, die Rechnung zu übernehmen. »Das war hochinteressant«, sagte er. »Und vielen Dank dafür, dass sie mich vor Eureka Telecom gewarnt haben.«
    »Keine Ursache. Ich glaube, das ist im Augenblick das Klügste. Ich würde Bloomfield Weiss bei diesen Papieren nicht über den Weg trauen.«
    »Ich weiß, wovon Sie reden«, sagte Khalid. »Kennen Sie Herbie Exler?«
    »Ich hab mal für ihn gearbeitet.«
    »Ach ja?«, sagte Khalid vorsichtig.
    »Er hat mich reingelegt.«
    »Mich auch«, sagte Khalid, »ein paar Mal. Ich glaube, er hält mich für einen blöden Araber, den er über den Tisch ziehen kann, wie er will. Was hat er mit Ihnen gemacht?«
    »Erinnern Sie sich an den großen Konvergenzhandel, an dem Bloomfield Weiss vor ein paar Jahren beteiligt war?«
    Khalid nickte. »Klar, wie könnte man den vergessen.«
    »Nun, das war ich. Aber als ich aussteigen wollte, hat Herbie darauf bestanden zu verdoppeln. Wir haben verloren, ich bekam die Schuld und wurde auf die Straße gesetzt.«
    Khalid hörte interessiert zu und beobachtete Chris aufmerksam, als versuche er herauszufinden, ob Chris ihm ein Märchen auftischte, das ihn reinwaschen sollte. Aber wahrscheinlich war ihm auch klar, dass dazu kein Anlass bestand: Was für einen Grund hätte Chris gehabt, einen möglichst guten Eindruck auf ihn zu machen.
    »Er ist ein Arschloch«, stellte Khalid nüchtern fest.
    Chris lächelte. »Ich kann Ihnen in diesem Punkt nicht widersprechen.«
     
    An diesem Abend kehrte Chris erst spät aus dem Büro in seine Wohnung zurück. Bevor er ins Bett ging, rief er seine E-Mails ab. Marcus hatte geschrieben.
     
    S IE SAGEN , A LEX SEI BEI EINEM U NFALL ERTRUNKEN , ABER ICH HABE NUR IHR WORT DAFÜR . WENN SIE MIR NICHT VERTRAUEN UND MIR ERZÄHLEN , WAS SICH AUF DEM BOOT ZUGETRAGEN HAT , KANN ICH IHNEN NICHT ERZÄHLEN , WAS LENKA MIR GESAGT HAT . ICH FINDE IHREN TOD NACH WIE VOR SEHR BEUNRUHIGEND . ICH GLAUBE , DASS ICH NIEMANDEM TRAUEN KANN , DER SICH AN DIESEM ABEND AUF DEM B OOT BEFUNDEN HAT . D ESHALB WERDE ICH I HNEN WEDER MEINE TELEFONNUMMER NOCH

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