Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
»Wusstest du, dass Alex Drogenprobleme hatte?«
    »Nein«, sagte Chris und dachte nach. »Ich habe nie so was bemerkt.«
    »Aber ja. Er machte sich große Sorgen deswegen. Bei einem überraschenden Drogentest hat man Spuren von Kokain in seiner Blutprobe gefunden. Bloomfield Weiss hat eine Riesensache draus gemacht und wollte ein Exempel an ihm statuieren.«
    »Ein unangekündigter Drogentest? Ich kann mich gar nicht erinnern.« Chris zerbrach sich den Kopf. »Ja klar, da gab es nach dem Abschlussexamen so eine medizinische Untersuchung für die amerikanischen Trainees. Wir andern konnten gehen. Das muss es gewesen sein.« Er schüttelte den Kopf. »Mein Gott, hat er das geheim gehalten.«
    »Ja. Eric wusste es natürlich, und daher wusste ich es auch. Aber du kannst dir vorstellen, dass er damit nicht hausieren gegangen ist.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Alex Drogen genommen hat.«
    »Damals war das gang und gäbe«, sagte Megan.
    Chris schüttelte den Kopf. »Ich bin total naiv, was Drogen angeht. Ich lese in der Presse, dass alle Welt sie nimmt, aber irgendwie bekomme ich nichts davon mit. Einmal habe ich Ian dabei ertappt.« Er musste daran denken, wie Tamara in Ians Zimmer geplatzt war, und an Ians verlegenes Gesicht, als er von seiner Linie Koks aufblickte. Und an das eigene Unbehagen, weil Tamara auch was nahm. »Ian hat Schwein gehabt, dass er nicht getestet worden ist.«
    »Vielleicht hat Lenka gewusst, dass man Alex erwischt hatte«, sagte Megan. »Vielleicht war es das, was sie Marcus erzählen wollte.«
    »Aber warum? Dann hätte sie kaum davon gesprochen, dass Marcus ein ›Recht‹ hätte, es zu erfahren.«
    Megan schüttelte den Kopf. »Vermutlich nicht. Also noch ein Grund mehr, nach ihm zu suchen. Hast du noch mal von ihm gehört?«
    »Er hat Angst«, sagte Chris. »Er will mir seine Adresse nicht geben. Ich soll seinen Aufenthaltsort nicht kennen.«
    Megan blickte Chris an. »Das ist beunruhigend.«
    Zum ersten Mal fragte Chris sich, ob Marcus vielleicht einen Grund hatte, sich zu ängstigen. Und ob er, Chris, sich auch Sorgen machen musste.
    An diesem Nachmittag legten sie etliche Kilometer zurück, kreuz und quer durch die Stadt, ihre Parks und über ihre Rasenflächen. Sie gingen am Fluss entlang, der die Wiesen rundherum unter Wasser gesetzt hatte, als es zu dämmern begann. Mit Einbruch der Dunkelheit erreichten sie ein Pub, das Fort St. George, das ganz allein am Flussufer stand. Das Abendessen nahmen sie vor einem Kaminfeuer ein.
    Nach dem Spaziergang zurück zu Megans College hatte Chris noch am gleichen Abend nach London zurückfahren wollen, aber sie lud ihn zu einer Tasse Kaffee auf ihr Zimmer ein. Sie durchquerten zwei Innenhöfe, vorbei an einem alten Baum, der ihnen aus der Dunkelheit ein Gewirr von nackten Ästen entgegenstreckte, und erreichten das Gebäude, in dem sie wohnte. Ihr Zimmer war warm und gemütlich, und draußen war es kalt und feucht. Megan und er unterhielten sich bis spät in die Nacht. Chris wollte nicht, dass der Abend zu Ende ging. Megan auch nicht.
    So blieb er.

9
    Mit dem Ellenbogen versuchte Chris, ein Stück Armlehne zu erobern, doch der massige Mann neben ihm, der eine Computerzeitschrift las, gab keinen Zentimeter preis. Auf der anderen Seite spielte ein kleiner, magerer Junge ein wildes Kartenspiel mit seinem Bruder. Der Sinn der Erhebung über die makroökonomische Anpassung der baltischen Staaten, die auf seinem Schoß lag, wollte sich ihm einfach nicht erschließen. Chris verfluchte sich, dass er Economy Class genommen hatte. Lenka hatte das nie gemacht, und war stets wütend geworden, wenn Chris eine entsprechende Absicht bekundet hatte. Doch angesichts der Schwierigkeiten von Carpathian hatte Chris den Preis für die Business Class für eine unverantwortliche Verschwendung gehalten. Idiotisch. Tausend Pfund hier oder da würden kaum über Carpathians Überleben entscheiden. Auf jeden Fall hatte er ein Open Ticket nehmen müssen. Die Fahrt nach Hartford zu Rudy Moss ließ sich sicherlich termingerecht erledigen, aber er wusste nicht, wie viel Zeit es ihn kosten würde, Marcus Lubron zu suchen oder mehr über Alex’ Drogenproblem herauszufinden.
    Chris ließ die baltischen Staaten baltische Staaten sein, lehnte sich zurück, schloss die Augen und dachte an Megan. Er hatte sich in Cambridge von ihr verabschiedet, bevor er nach London zurückgefahren war und seine Sachen für Amerika gepackt hatte. Es war ein wunderbarer Tag und eine wunderbare Nacht

Weitere Kostenlose Bücher