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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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der Markt ihm diesmal zur Hilfe kommen. Vielleicht würde er bei seiner Rückkehr nach London feststellen, das ein Run auf Junk-Bonds eingesetzt hatte, dass jemand wie verrückt Eureka Telecom kaufte oder dass gerade die Erweiterung der europäischen Union verkündet worden war.
    Abermals hoffte er auf die Unzuverlässigkeit der Märkte, um zu überleben: Wie er das satt hatte!
    Wieder fühlte er sich hilflos. Doch diesmal wanderten seine Gedanken nicht zur Katastrophe bei Bloomfield Weiss, sondern viel weiter zurück, um einen Zeitraum von zwanzig Jahren.
    Er war elf. Sein Vater seit neun Monaten tot. Das Leben hatte sich für seine Mutter, seine jüngere Schwester und ihn selbst radikal verändert. Sie waren umgezogen, aus einer Doppelhaushälfte in einer ruhigen Sackgasse in den siebten Stock eines Wohnsilos. Tagsüber arbeitete seine Mutter als Kassiererin, und an drei Tagen in der Woche ging sie noch zur Nachtschicht in ein Lagerhaus. Zwar war sie stolz, dass er ein Gymnasium besuchte, aber auch das kostete Geld. Doch trotz Schlafmangel, Geldsorgen, rotgeränderten, dunkelumschatteten Augen sah er sie nie weinen. Stets hatte sie Zeit für ihn und Anna, ein offenes Ohr für ihre Kümmernisse und die richtigen Worte, um sie zu trösten. Mit elf verspürte Chris wieder das Bedürfnis, sich in die Wärme der mütterlichen Umarmung zu flüchten, die ihm nie versagt wurde.
    Bis er eines Tages spät aus der Schule kam und sie vom Geschäft abholte. Anna war bei einer Freundin. Sie gingen rasch nach Hause, unterhielten sich und nahmen den stinkenden und mit Graffiti über und über beschmierten Fahrstuhl in den siebten Stock. Ihre Wohnung lag am Ende des Flurs. Als sie näher kamen, beschleunigte seine Mutter ihre Schritte, bis sie schließlich lief. Chris folgte ihr. Die Wohnungstür stand offen. Die Wohnung war ein einziger Trümmerhaufen. Chris’ Mutter stürzte zu einer Kommode, in der sie die Sachen seines Vaters aufbewahrte. Die Schubladen standen offen. Schweigend starrte sie auf das Durcheinander, das in ihnen herrschte. Zögernd trat Chris zu ihr. Vaters Uhr fehlte. Desgleichen sein Ehering. Und einige Schachmedaillen, die für niemanden einen Wert hatten außer für seine Mutter. Das Hochzeitsfoto lag auf dem Fußboden, das Glas zerbrochen, das Foto eingerissen.
    Ihre Schultern bebten, und sie stieß einen Ton aus, der wie der Klagelaut eines Tiers klang. Dann begann sie zu schluchzen. Entsetzt und hilflos umfasste Chris sie und führte sie zurück zum Bett. Sie ließ den Tränen freien Lauf und weinte wie ein Kind. Auch Chris fühlte die Tränen aufsteigen, aber er unterdrückte sie entschlossen. Diesmal wollte er die Mutter trösten und nicht umgekehrt. Er hielt ihre Schultern umfasst und hoffte, sie beruhigen zu können. Sie presste ihr Gesicht an seine Brust und weinte.
    Schließlich, sehr viel später, versiegten ihre Tränen. Einige Minuten rührte sie sich nicht, und Chris hütete sich, sie zu stören. Dann setzte sie sich im Bett auf und wandte sich ihm zu, das Gesicht verquollen und tränennass, das dunkle, lockige Haar, das normalerweise so sorgfältig frisiert war, ein wildes Durcheinander.
    »Weißt du was, Chris?«, sagte sie.
    »Nein, Mum?«
    »Schlimmer kann es nicht mehr kommen, oder? Das ist einfach nicht möglich.« Sie schnäuzte sich und probierte ein zaghaftes Lächeln. »Solange du und ich und Anna zusammenhalten und uns gegenseitig helfen, kann’s nur besser werden. Also komm, lass uns aufräumen.«
    Und sie hatte Recht. Allmählich verbesserte sich ihre Situation. Die Wohnung war wiederhergestellt. Der heiße Schmerz über den Verlust des Vaters wurde zu einem gedämpften Weh. Die Mutter fand eine besser bezahlte Anstellung in einem Reisebüro, so dass sie schließlich in ein kleines Haus umziehen konnten. Anna heiratete und bekam zwei Kinder. Chris ging auf die Universität. Sie hatte durchgehalten. Sie hatte es geschafft.
    Das würde er auch!
    Der Zug fuhr in Penn Station ein, und Chris nahm ein Taxi zu Bloomfield Weiss. Er erinnerte sich noch gut an die freudige Erwartung, mit der er an jenem Morgen vor zehn Jahren mit Duncan und Ian das Gebäude zum ersten Mal betreten hatte. Mit dem Lift fuhr er in den fünfundvierzigsten Stock. Und wie an jenem ersten Tag wurde er von Abby Hollis empfangen.
    Sie hatte sich ein bisschen verändert. Sie trug eine weiße Bluse und hatte die blonden Haare streng zurückgebunden. Aber sie kaute ein Kaugummi und lächelte, als sie Chris sah.
    »Hallo,

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