Das Programm
gewesen. Er erinnerte sich an ihren Duft, ihre weiche Haut, ihr Haar in seinem Gesicht. Sie hatte etwas in ihm geweckt, was er schon lange nicht mehr empfunden hatte. Seit Tamara nicht mehr. Nein, es war ganz anders als mit Tamara. Es war etwas Neues, etwas viel Schöneres. Es gab so viel, was er über sie wissen wollte, und doch hatte er das Gefühl, sie schon gut zu kennen. Mit ihr zusammen zu sein, erschien ihm so selbstverständlich. Er hoffte, er würde noch lange mit ihr zusammen sein. Er war entschlossen, noch sehr lange mit ihr zusammen zu sein.
Er dachte an sie und Eric und fragte sich einen Augenblick, wie er im Vergleich zu Eric abschnitt. Aber nur einen Augenblick. Vergleiche mit Eric waren sinnlos: Eric war immer und überall ein Sieger; besser man nahm das als eine der unabänderlichen Tatsachen des Lebens hin. Er wand sich innerlich bei der Erinnerung an eine blöde Bemerkung, die ihm während der Nacht entschlüpft war. Irgendwann im Morgengrauen, nachdem sie sich zum zweiten Mal geliebt hatten, hatte er Eric erwähnt. Sie war plötzlich erstarrt und hatte ihn gefragt, ob ihm denn noch niemand gesagt habe, dass man unter keinen Umständen mit neuen Liebhabern über alte sprechen dürfe. Er hatte an Duncan und Pippa gedacht und war sich wie ein Idiot vorgekommen. Sein Fauxpas war rasch vergessen, aber es war klar, dass Eric ein Tabuthema für Megan war.
Er lächelte bei dem Gedanken, dass er sie bald Wiedersehen würde. Das Lächeln verschwand erst aus seinem Gesicht, als er von dem Knaben zur Rechten einen schmerzhaften Rippenstoß mit dem Ellbogen erhielt.
Rudy Moss’ Arroganz hatte rüde Formen angenommen. Früher war er großspurig oder kriecherisch gewesen, je nachdem, mit wem er es zu tun hatte. Die zehn Jahre, die inzwischen vergangen waren, hatten ihm eine gewisse Autorität verliehen. Die leichte Korpulenz hatte sich zu einer soliden Fettleibigkeit entwickelt, die ihn älter als seine Jahre erschienen ließ. Seine lange spitze Nase setzte er geradezu virtuos ein, indem er den Kopf so geneigt hielt, dass er seinen jeweiligen Gesprächspartner über ihre ganze Länge mustern konnte. Er war auch ein Meister des gewichtigen Schweigens, der Pause, die suggerierte, er allein wisse die richtige Antwort und es gehe nur noch darum, ob er sie enthülle. Chris konnte ihn weniger denn je ausstehen.
Aber er musste sich auf den Besucherstuhl setzen und betteln, was ihm sehr schwer fiel, Rudy aber außerordentlich zu genießen schien.
Der Termin begann ganz vielversprechend.
»Letzte Woche habe ich einen Anruf von Eric Astle bekommen«, begann Rudy. »Er hat sich sehr positiv über dich geäußert.«
»Das freut mich«, sagte Chris.
»Ja. Er hat sich sehr ordentlich rausgemacht«, sagte Rudy. »Hast du vor einigen Monaten den Artikel in Business Week gelesen? ›Macher des 21. Jahrhunderts‹ hieß er. Oder so ähnlich.«
»Nein.«
»Anscheinend ist Eric der große M&A-Star.« M&A stand für Mergers and Acquisitions, also den ganzen Bereich der Unternehmenskäufe.
»Sieht ganz so aus.«
»Schade, dass er im Schulungsprogramm nicht ganz so gut abgeschnitten hat wie ich«, sagte Rudy mit einem Lächeln.
Wenn Chris sich recht entsann, hatte Eric den anderen ganz zum Schluss vom ersten Platz verdrängt, aber Chris ließ die Sache lieber auf sich beruhen. Chris sah sich in Rudys Büro um. Klein, aber immerhin sein eigenes. Er hatte einen hübschen Blick auf die Bürotürme der anderen Versicherungsgesellschaften. Amalgamated Veterans Life war ein angesehenes Unternehmen, und Rudy hatte offenbar eine gewisse Verantwortung. Aber zu den ›Machern des 21. Jahrhunderts‹ dürfte er wohl kaum zählen. Chris musste lächeln.
Ein Fehler. Rudy sah es und zog ein finsteres Gesicht. Er war sich wahrscheinlich nur allzu sehr bewusst, dass er nicht gehalten hatte, was sein Erfolg im Schulungsprogramm versprochen hatte.
»Mich hat zwar beeindruckt, was Eric gesagt hat, aber ich muss mir schon selbst eine Meinung bilden. Ich habe dir gesagt, welche Vorbehalte ich habe, nachdem Lenka fortgefallen ist. Warum sollte ich mein Kapital in deinem Fonds lassen?«
Chris begann zu erläutern, welche Chancen sich für Mitteleuropa auftaten, wie rasch sich die Staaten in die europäische Wirtschaft eingliederten und wie die Stolpersteine, auf die sie dabei stießen, dem Fonds die Möglichkeit eröffneten, noch bessere Renditen zu erzielen. Dann ging er darauf ein, dass er möglichst bald einen Experten für
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