Das Prometheus Mosaik - Thriller
gefassten Entschluss über Bord. Sie wollte endlich mehr erfahren, wollte alles ganz genau wissen. Sie schämte sich ein wenig dafür, auch in dieser Situation nicht aus ihrer Haut zu können.
»Paul, wovon sprichst du? Ich verstehe nicht …«
Er sah sie an. Sie verstummte.
»Vom Klonen.« Er schluckte trocken. »Ich spreche von den … wirklichen Aspekten des Klonens, Sara.«
***
Theo wusste, was mit ihm geschah; er hatte es schon viele Male gesehen – nur nicht aus dieser Warte, nicht aus der Sicht des Patienten, sondern immer nur von der des Arztes aus.
Jeder seiner Patienten hatte ihm jedoch eines vorausgehabt: Sie hatten gewusst, was ihnen bevorstand, auf welche Operation man sie vorbereitete.
Theo wusste das nicht. Und niemand war willens oder imstande, es ihm zu sagen, ganz gleich, wie drängend und zunehmend verzweifelt er danach fragte.
Panik ergriff einmal mehr Besitz von ihm. Sie schien ihm in den vergangenen Tagen zum steten Begleiter geworden zu sein, der sich nur ab und an etwas zurückfallen ließ, um dann zu ihm aufzuschließen und ihn an der Gurgel zu packen.
Das Mädchen, Fio, hatte ihm die Haare von Brust, Gesicht und Kopf rasiert. Mit vor Tränen glasigem Blick, aber eisern schweigend, als seien ihr die Lippen zugenäht. Jetzt pinselte sie ihm mit Jod einen gelben Kragen um den Hals und etwas wie einen Rahmen ums Gesicht.
In Theo stieg allmählich eine Ahnung auf, was man mit ihm tun, was man ihm antun wollte – er wusste nur nicht, warum. Und das machte es noch viel schlimmer.
Der Mann, der es erstaunlich fand, dass Theo ihn »Vater« nannte, hatte sich zurückgezogen. Spürbar, weil er nicht mit ihm reden wollte. Weil er ihn nicht für wert befand, mit ihm zu reden. Er hatte ihn nur mit einem Blick gemustert, den Theo ebenso wiedererkannte wie das Gesicht des Mannes. Der Blick ähnelte dem aus seinen Augen, er wusste, wann und worauf er so schaute, er wusste, was er dabei empfand – jene Eiseskälte nämlich, die ihn vor einer Operation überkam, die ihn zum Chirurgen machte, ihn ganz ruhig werden ließ und loslöste von allem, insbesondere irgendwelchen Gefühlen, die ihn und seine Präzision in Tun und Denken beeinträchtigen könnten.
Ja, genau so hatte dieser Mann, hatte »Vater« auf ihn herabgesehen.
Roxane Fortier hatte er mit ein paar Worten, die Theo nicht verstanden hatte, aus diesem unheimlichen Operationssaal geschickt. Jetzt kehrte sie zurück, und sie brachte etwas mit.
Vor sich her schob Fortier einen langen Bottich, in dem eine zähe Flüssigkeit schwappte und schmatzte. Darin lag, wie in einem Bad aus Blut und geschmolzenem Gold, ein nackter Mann.
Nackt nicht nur bis auf die Haut, sondern beinahe bis aufs Fleisch.
Der Körper des Mannes war gerötet, verschwollen, und das war nicht nur ein Effekt der Flüssigkeit, die ihn umgab. Seine Haut war verbrannt, und eigentlich, daran hatte Theo keinen Zweifel, müsste dieser Mann tot sein. Aber er lebte. Das wusste Theo nicht einfach nur, er spürte es so, wie er selbst lebte.
Noch …
Er fror, nicht bloß weil er selbst fast nackt, seine Haut noch feucht von der Rasur und der Saal kalt war. Ein eisiges Gefühl, das er so gut kannte, meldete sich in ihm, aber diesmal war es nicht sein Freund, jetzt war es gekommen, um ihn erfrieren zu lassen.
Fortier rangierte den auf einem Rollengestell ruhenden Behälter neben Theo. Er drehte den Kopf ein wenig und blickte auf die durchsichtige Wandung.
Im selben Moment fiel auch der Kopf des Mannes dahinter zur Seite, ob in einer bewussten Anstrengung oder zufällig, war nicht zu erkennen. Sein Gesicht, das zuvor wie eine zerklüftete Insel aus der Oberfläche dieser Flüssigkeit geragt hatte, wandte sich nun Theo zu. Luftblasen drangen dem Mann aus Mund und Nase und kämpften sich durch die zähe Brühe nach oben. Dann lag er da wie tot – bis er die Augen öffnete. Er schien Theo bis ins Allerinnerste zu blicken – der seinerseits das Gefühl hatte, dazu ebenso imstande zu sein.
Er und dieser Mann sahen einander nicht einfach nur an …
Das Gefühl des Entsetzens hingegen, das Theo in dieser Situation nur logisch erschienen wäre, hielt sich in Grenzen. So wie sein Eindruck, dieser andere Mann sei mehr Monster als Mensch, wie eine Atemwolke in kalter Luft verflog, sobald er das Gesicht hinter dieser Maske aus Narben und Röte wirklich sah und erkannte.
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit glaubte Theo, in einen Spiegel zu blicken. Nur war es diesmal keiner, der ihn um
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