Das Prometheus Mosaik - Thriller
schimmerten.
Gefüllt war der gläserne, aufgeklappte Sarkophag mit einer sichtlich zähflüssigen Substanz, die im Licht der kleinen Anzeigenlampen wie von Blut und Gold durchwirkt schien; von ihr musste der chemische und zugleich auch würzige Geruch ausgehen, der selbst wie etwas Zähes in der Luft lag.
In dieser Flüssigkeit wiederum lag ein Mensch. Nackt. Ein Mann. Mehr war von der Tür aus nicht zu erkennen.
»Paul?«, entfuhr es Sara, und etwas Bitteres drängte sich diesem Wort hinterher und in ihren Mund.
Ein raues, angestrengtes Stöhnen antwortete ihr.
»Sara?«
***
Theo glaubte, in hellstem Sonnenschein zu erwachen. Dann schlug er die Lider ganz auf und sah anstatt einer Sonne deren sechs über sich. Im nächsten Augenblick erkannte er die Sonnen als das, was sie wirklich waren: Operationslampen.
Etwas schob sich zwischen ihn und die Leuchten. Es war das verbrannte Gesicht Roxane Fortiers, so wie er es eben noch vor sich gesehen hatte, als er sich auf sie hatte stürzen wollen, um sie eigenhändig umzubringen – weil sie Sara erschossen hatte.
Es war beim Wollen geblieben.
Und geblieben war auch der Schmerz, der plötzlich an seiner Schläfe explodiert war und sich inzwischen unter seiner Schädeldecke eingenistet hatte und sie scheinbar abzusprengen versuchte. Das grelle Licht war noch Öl in das Feuer dieser Schmerzen. Theo machte die Augen zu, und es wurde ein wenig besser. Nur nicht so viel besser, dass er die Augen geschlossen hielt.
Er wollte sie sehen.
Seine stille Hoffnung, in ihrem Gesicht irgendetwas zu lesen, das ihm mehr verriet über sie und über das, was sie von ihm wollte, erfüllte sich jedoch nicht. Fortiers Mienenspiel war vom Feuer steif gebrannt, und ihre Augen nahmen lediglich wahr, dass er wach war, ohne im Gegenzug etwas preiszugeben.
Ihr Gesicht verschwand. Dafür hörte Theo ihre Stimme. Sie meldete irgendjemandem, dass er zu sich gekommen war.
Theo versuchte den Kopf zu drehen, um zu sehen, mit wem sie sprach. Der Schmerz der Bewegung ließ ihn die Augen zukneifen. Als es nicht mehr ganz so wehtat, öffnete er sie wieder und erkannte, wo er sich befand.
Die Operationslampen waren ein Indikator gewesen, den er entweder nicht verstanden oder den zu verstehen sein Denken sich geweigert hatte.
Er lag auf einem harten Operationstisch. Er war nackt, bis zu den Hüften hinab jedenfalls. Seinen Unterleib bedeckte ein weißes Laken. Die Luft um ihn herum war kalt und, wie ihm schien, neblig, die Wände dunkles, blankes Mauerwerk.
Jemand trat an den Tisch und beugte sich über ihn. Nicht Fortier diesmal, trotzdem jemand, den Theo kannte, zumindest dem Gesicht und dem Namen nach.
»Fio?«
Sie sagte nichts, nicht mit Worten. Auch ihr Gesicht war starr, wie gelähmt und zu keiner Regung fähig. Einzig ihre großen, dunklen Augen sprachen. Eine Träne löste sich daraus und fiel auf Theos nackte Brust.
»Was soll das hier?«, fragte er, und jetzt loderte Beunruhigung in ihm auf, machte ihn kribbelig, wollte ihn sich kratzen lassen am ganzen Körper, weil er das Gefühl hatte, es marschierten Ameisen unter seiner Haut einher.
Da merkte er, dass er sich nicht nur nicht kratzen, sondern insgesamt kaum bewegen konnte. Er war gefesselt, mit Riemen an den Tisch gebunden.
Er schrie.
Niemand antwortete.
Fio verschwand, und an ihrer Stelle bewegte sich plötzlich, Purzelbäume schlagend, eine kleine Figur durch Theos Gesichtsfeld. Sie war nackt, geschlechts- und gesichtslos, grob geformt wie der Golem. Die Hand, um deren Finger die Tonfigur wanderte, geriet in den Fokus von Theos Blick, der nun weiter emporkletterte, den Arm entlang zur Schulter, bis er schließlich das Gesicht des Mannes erreichte. Ein Gesicht, das an eine steinerne Landschaft denken ließ, am Abend, wenn die Sonne lange, tiefe Schatten warf – und ein Gesicht, das Theo gestern Nacht zum ersten Mal wirklich gesehen hatte, obwohl es immer schon Teil einer Erinnerung gewesen war, die ihm Albträume bereitete, solange er zurückdenken konnte. Ein Gesicht, das in Theo den Eindruck weckte, er blicke in einen Spiegel, der ihn um Jahrzehnte älter machte.
»Vater?«, rann es ihm von den Lippen.
»Vater?«, echote der Mann und hob eine seiner dunklen, buschigen Brauen. »Das ist … erstaunlich.«
***
Die Akustik täuschte, trog und narrte das Ohr, hier, zig Meter unter Wien. Die Augen taten dies nicht. Doch Sara wünschte, es wäre so …
Sie hatte Paul Finn gefunden. Er lag in einem Bett, auf und unter Laken,
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