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Das Prometheus Mosaik - Thriller

Das Prometheus Mosaik - Thriller

Titel: Das Prometheus Mosaik - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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reif. Sie musste um die fünfzig sein, wirkte jedoch jünger. Langes, naturschwarzes Haar, tiefrote Lippen, der blasse Teint einer Person, die das Licht der Sonne ihr Leben lang eher gescheut als gesucht hatte.
    Wenn Schneewittchen nicht gestorben wäre, so lebte sie noch heute …
    Die Kleidung war elegant und doch sportlich. Der dunkle Ledermantel schimmerte feucht, ein Zeichen dafür, dass die Frau einige Zeit durch den Nieselregen gelaufen sein musste – oder längst schon in der Nähe gewartet hatte.
    Paul nickte. »Und Sie sind …?« Er stand halb auf, langsam. Sein Blick hing an der Frau.
    Die Frau lächelte knapp, kaum mehr als ein Zucken der Mundwinkel. Sara ließ sie nicht aus den Augen. Die Mimik der Frau, die Pauls Mutter sein wollte, brachte unübersehbare Verunsicherung zum Ausdruck.
    Die Frau reichte Paul die Hand. Er ergriff sie, so vorsichtig, als könnte sie heiß sein oder zerbrechlich.
    »Ja«, sagte sie. »Ich bin Roxane Fortier.«
***
    Fünf Minuten später saßen sie, unter einer Markise vor dem Nieselregen geschützt, vor dem Weinhaus Huth, das buchstäbliches Berliner Urgestein war: das einzige Gebäude am Potsdamer Platz, das den zweiten Weltkrieg überstanden hatte, heute architekturhistorischer Kern des modernen Gebäudeensembles, ein Stück altes Berlin, das wie in die futuristisch anmutende neue Nachbarschaft hineingewachsen wirkte.
    Auf der Terrasse wurde bei diesem Wetter nicht serviert. Roxane Fortier wollte trotzdem draußen sitzen; was sie zu bereden hätten, sei gewiss nicht für fremde Ohren bestimmt. Bei Paul, der an der Grenze zum Misanthropen entlang balancierte, rannte sie damit offene Türen ein. Sara fand sich mit ihrer Rolle als fünftes Rad am Wagen ab und fügte sich. Sie erbot sich, von drinnen wenigstens für jeden eine Tasse Kaffee zu holen. Roxane Fortier bestand darauf, sie beide einzuladen und zu bedienen. Es sei das Mindeste, was sie heute tun könne, meinte sie, und ihr Blick ruhte dabei um Verzeihung bittend auf Paul.
    Es hätte vieles zu fragen, vieles zu sagen gegeben. Trotzdem saßen sie einander über eine Minute lang schweigend gegenüber, Sara und Paul auf der einen Seite des Tisches, Roxane auf der anderen. Zu hören war nur das Raunen und Rauschen des Verkehrs, am Tisch das leise Klimpern und Klirren der Löffel in den Kaffeetassen. Wie auf ein geheimes Zeichen hin legten sie die Löffel fast gleichzeitig ab und nahmen den Henkel ihrer Tassen zwischen Daumen und Zeigefinger. Diese zufällige zeitliche Übereinstimmung, derer sich alle drei zugleich bewusst wurden, löste die Spannung ein wenig und brachte sie zu einem leisen Lächeln.
    Sara war versucht, als Erste das Wort zu ergreifen. Sie wollte wissen, wollte Fragen stellen, sie wollte nicht warten, bis ein anderer fragte oder die Antworten ungefragt kamen. Solche Antworten waren nie vollständig, sie waren immer nur das, was der andere von sich aus preisgeben wollte. Fragen konnten, wenn man sich darauf verstand, einem Menschen auch all das entlocken, was er eigentlich nicht sagen wollte – und das so, dass er es nicht einmal wirklich aussprechen musste.
    Aber Sara beherrschte sich. Sie wusste, die Eröffnung dieses Gesprächs stand allein Paul oder Roxane Fortier zu.
    Damit machte er sich also auch schon bemerkbar, der erste Haken, den dieser »Fall« hatte. Ihr Verhältnis zu Paul verbat Sara eine solche eigenmächtige Einmischung.
    Um sich wenigstens mit irgendetwas zu beschäftigen, fasste sie ihre Tasse mit den Fingerspitzen beider Hände und trank von dem Kaffee, der inzwischen etwas abgekühlt war und so bitter schmeckte, wie sie Kaffee am liebsten mochte.
    Lange funktionierte diese Beschäftigungstherapie nicht. Das anhaltende Schweigen zerrte allzu heftig an ihrem dünnen Geduldsfaden. Doch Paul bewahrte sie im letzten Augenblick davor, ihre eben aufgestellte eigene Regel zu brechen, indem er die erste Frage stellte.
    Sie klang so merkwürdig, wie es die ganze Situation war.
    »Sie behaupten also, meine Mutter zu sein?« Er schnaubte. »Ich dachte, Sie seien tot.«
    »Das dachten wir auch von dir«, erwiderte die Frau und biss sich kurz auf die Unterlippe. »Ich darf doch du sagen, oder?«
    Paul machte eine linkische Geste, die bedeutete, dass es ihm egal sei; andere Dinge, Rätsel und ihre Lösungen, waren jetzt um so vieles wichtiger als Etikette. Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee, verzog das Gesicht, schaufelte Zucker nach.
    »Wir?«, stellte er dann die Frage, die Sara längst

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